: Was aus den Schlussplädoyers für Trump folgt

von Anna Kleiser, Washington D.C.
29.05.2024 | 05:20 Uhr
Trumps Team und die Staatsanwaltschaft haben der Jury ihre Sicht auf den Prozess vorgetragen. Nun kann sie das Urteil jederzeit fällen. Was die Schlussplädoyers gezeigt haben.

Die Zeugenbefragung im Schweigegeld-Prozess gegen Donald Trump ist beendet. Nun entscheidet die Jury ob er schuldig ist. Bei einem Schuldspruch könnte er Wählerstimmen verlieren.

28.05.2024 | 02:29 min
Noch in dieser Woche könnte die Welt erfahren, ob der Präsidentschaftsbewerber der Republikaner ein verurteilter Verbrecher ist. Der Schweigegeld-Prozess gegen Donald Trump in New York liegt ab Mittwoch in den Händen der Geschworenen. Wie lange sie für die Beratungen brauchen, ist offen, theoretisch kann dann jederzeit das Urteil fallen.  

Schweigegeld-Prozess: Was wird Donald Trump vorgeworfen?

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Donald Trump, er habe seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verbessern wollen. Zwar war die von keiner Seite bestrittene Transaktion selbst nicht illegal. Der heute 77-Jährige soll aber bei der Erstattung des von Michael Cohen ausgelegten Betrags Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Zahlung zu verbergen. Aus Sicht der Anklage handelte es sich deshalb um illegale Wahlkampffinanzierung.

Es handelt sich um den ersten Strafprozess gegen einen ehemaligen Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Trump droht eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, oder eine Geldstrafe. Das Verfahren könnte sich auch auf den Wahlkampf in den USA auswirken. Trump, der im November erneut zum US-Präsidenten gewählt werden will, hat auf nicht schuldig plädiert.

Die Rolle von Michael Cohen im Schweigegeld-Prozess

Die Schweigegeldzahlungen an Daniels beschäftigen die US-Justiz schon seit Jahren. Michael Cohen wurde in diesem Zusammenhang bereits 2018 schuldig gesprochen und saß unter anderem wegen Falschaussage eine Haftstrafe ab. Damals war Trump noch Präsident und wurde von der Staatsanwaltschaft nicht strafrechtlich verfolgt. Der aktuelle Prozess wurde im April eröffnet.

Quelle: dpa

In den Schlussplädoyers haben Verteidigung und Staatsanwaltschaft alles gegeben, um die zwölf Geschworenen von ihrer Darstellung zu überzeugen. Knapp fünf Stunden hat die Staatsanwaltschaft Zeugen und Dokumente verknüpft, um zu beweisen: Trump ist schuldig.  
Am Vormittag hatte Trumps Anwalt seine Lesart mit dem genauen Gegenteil vorgetragen: Trump ist unschuldig. Im Fokus der Plädoyers einmal mehr: Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen. 
Welcher Seite die Jury Glauben schenkt, entscheidet über Trumps Schicksal und möglicherweise mit über die US-Wahl

"Wird Trump schuldig gesprochen, dann so zeigen es Umfragen, könnte es ihm sehr schaden, vier bis fünf Prozent am Ende kosten", sagt USA-Korrespondent Elmar Theveßen zum Prozess gegen Trump.

29.05.2024 | 02:17 min

Trumps Team fordert Freispruch

Trumps Anwalt Todd Blanche machte deutlich, er erwarte einen schnellen Freispruch, da sein Klient nicht schuldig sei. Die Staatsanwaltschaft habe nichts anderes beweisen können.
Er fokussierte sich im Plädoyer wie erwartet auf die Glaubwürdigkeit von Michael Cohen. Trump könne nicht aufgrund von Cohens Aussagen verurteilt werden.  
Er ist buchstäblich der größte Lügner aller Zeiten.
Todd Blanche, Trump-Verteidiger über Michael Cohen
Juraprofessor Ryan Goodman analysiert, es sei zwar schlau gewesen, sich auf Cohens Glaubwürdigkeit zu fokussieren. Blanche seien im Plädoyer aber große Fehler unterlaufen, weil er etwa Behauptungen zu Cohens Bezahlung aufgestellt habe, die in den Prozessakten widerlegt werden.  

Staatsanwaltschaft versucht, Druck von Cohen zu nehmen

Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass Trump von der Fälschung der Geschäftsunterlagen nicht nur wusste, sondern sie auch angeordnet habe. Er sei daher 2016 an einer Verschwörung zur Täuschung der Wählerschaft beteiligt gewesen.  
Staatsanwalt Joshua Steinglass ging auf die Schwächen einiger Zeugen ein und machte deutlich: Sie stünden gar nicht so sehr im Fokus. In Bezug auf Cohen betonte er, es gehe in dem Fall um Trump, nicht um Cohen. Dass Cohen in der Vergangenheit gelogen habe, hätte überhaupt erst zu der Verschwörung geführt. 
Der Angeklagte [Trump] wählte Michael Cohen als seinen Fixer, weil er bereit war, in seinem Namen zu lügen und zu betrügen.
Joshua Steinglass, Staatsanwaltschaft New York 

Jetzt beginnt das Warten

Trump und die Anwälte beider Seiten müssen während der Beratungen der Geschworenen in der Nähe des Gerichts bleiben - für etwaige Fragen oder das Urteil. 
Wie viele Fachleute rechnet wohl auch Trumps Verteidigung nicht mit einem kompletten Freispruch. Das berichtete am Abend der US-Fernsehsender CNN. Ihre Hoffnung sei eine Jury, die sich nicht einigen kann. Dann müsste der Prozess neu aufgesetzt werden.  
 

Es genüge, wenn Trumps Anwälte bei einem der zwölf Geschworenen berechtigte Zweifel hervorrufen, so Rechtsexperte Junker. Denn ein Schuldspruch müsse einstimmig sein.

28.05.2024 | 10:27 min
Falls es zu einem einstimmigen Schuldspruch kommen sollte, wird Richter Juan Merchan über das Strafmaß entscheiden. Eine Gefängnisstrafe ist zwar rechtlich möglich, Fachleute halten es aber nicht für realistisch. Zum einen, weil Trump keine Vorstrafen habe, zum anderen, weil in vergleichbaren Fällen kaum Haft angeordnet wird.  

Erster Prozess von vier Anklagen

All das passiert nicht in einem Vakuum, sondern im Wahljahr in den USA. Trump hat seine Auftritte vor und nach dem Prozess regelmäßig für Wahlkampfreden genutzt. Noch während der Plädoyers postete er "LANGWEILIG!" in Großbuchstaben auf der Plattform Truth Social. Ob das Gefühl lange anhält, wird sich zeigen. Sollte Trump verurteilt werden, könnte er bis zu fünf Prozent seiner Wähler verlieren, zeigen Umfragen. 
Den Demokraten um dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden käme das gelegen. Am Dienstag schickte sein Wahlkampfteam den Schauspieler Robert De Niro und zwei Polizeibeamten vor, um vor Trump zu warnen. Man wolle die Aufmerksamkeit der Medien auf dem Prozess nutzen, sagt ein Wahlkampfmanager. Ihr Ziel: Die Aufmerksamkeit auf den Kapitolsturm zu lenken. Trumps Prozess dazu hängt derweil noch am Obersten Gericht fest.   

Prozess um Sturm auf US-Kapitol in Washington D.C.

Am 6. Januar 2021 stürmten Trump-Anhänger das US-Kapitol in Washington. Sie wollten nach einer Kundgebung Trumps verhindern, dass die Parlamentarier Joe Bidens Sieg bei der Präsidentschaftswahl offiziell bestätigen. Der Prozess soll klären, ob der Präsident strafrechtliche Verantwortung für den blutigen Angriff auf das Kapitol trägt und er seine Anhänger dazu aufgerufen hat, zum Kapitol zu stürmen und "auf Teufel komm raus" zu kämpfen. Trump ist wegen Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zum Betrug der Vereinigten Staaten, Verschwörung zur Abgabe falscher Angaben sowie Anstiftung oder Unterstützung von Aufruhr angeklagt.

Hier handelt es sich um einen Prozess auf Bundesebene. Insgesamt wurden von US-Sonderermittler Jack Smith vier Anklagepunkte erhoben. Die zuständige Richterin in Washington D.C. ist Tanya S. Chutkan.

Prozess um unterschlagene Geheimdokumente in Florida

In der Dokumenten-Affäre ist Trump wegen der gesetzeswidrigen Aufbewahrung höchstsensibler Informationen angeklagt, wegen des Verstoßes gegen ein Anti-Spionage-Gesetz, wegen Falschaussagen und Verschwörung zur Behinderung der Justiz. Bei einer Durchsuchung seines Privatanwesens Mar-a-Lago in Florida am 8. August 2022 beschlagnahmte das FBI 13.000 Dokumente. Einige der Dokumente unterliegen der höchsten Geheimhaltungsstufe.

Hier handelt es sich um einen Prozess auf Bundesebene. Insgesamt wurden von US-Sonderermittler Jack Smith 40 Anklagepunkte erhoben. Die zuständige Richterin in West Palm Beach ist Aileen Cannon, sie wurde im Mai 2020 von Ex-Präsident Trump in das Amt berufen.

Prozess um Wahlmanipulation in Georgia

Im Bundesstaat Georgia ist Trump mit 18 mutmaßlichen Verschwörern, darunter auch Rudy Giuliani, wegen des Versuchs der illegalen Einflussnahme auf den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2020 angeklagt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beinhalten das Verbreiten von Lügen über Wahlbetrug und den Versuch der Wahlmanipulation. Angeklagt sind die Verschwörer um Trump nach dem sogenannten "RICO-Act", einem Gesetz, das einmal zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität geschaffen wurde. Ihnen wird vorgeworfen, Beamte und Gesetzgeber gedrängt zu haben, Bidens Sieg rückgängig zu machen. Am 2. Januar 2021 rief Trump den Staatssekretär von Georgia, Brad Raffensperger, an und forderte ihn auf, 11.780 Stimmen zu "finden" - die Zahl, die nötig war, um Bidens Sieg zu verhindern.

Vier der Mitangeklagten, Scott Hall, Sidney Powell, Kenneth Chesebro und Jenna Ellis, haben sich schuldig bekannt.

Hier handelt es sich um einen Prozess auf Bundesstaatsebene. Insgesamt umfasst die Anklage gegen Trump von US-Staatsanwältin Fani Willis 13 Punkte. Der zuständige Richter in Fulton County ist Scott McAfee. Die Verhandlung soll beginnen, sobald der Strafprozess in Washington verhandelt ist.

Prozess um Schweigegeldzahlung in New York

Die Staatsanwaltschaft in New York legt Trump die Fälschung von Geschäftsunterlagen in 34 Fällen zur Last. Er soll damit versucht haben, schädliche Informationen und rechtswidrige Aktivitäten vor und nach der Präsidentenwahl 2016, aus der er als Sieger hervorging, zu verbergen. Der Öffentlichkeit am präsentesten ist in diesem Fall die Zahlung von Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels.

Trump und andere hätten systematisch versucht, negative Informationen über ihn zu identifizieren, mit Geld zu unterdrücken und so seine Chancen bei der Wahl zu erhöhen, lautet der Vorwurf. Er habe auch große Anstrengungen unternommen, um all das zu verbergen, indem er Dutzende falsche Einträge in Geschäftsunterlagen vorgenommen habe.

Hier handelt es sich um einen Prozess auf Bundesstaatsebene. Trumps Anwälte haben Anträge gestellt, den Fall an ein Bundesgericht zu verlegen. Insgesamt umfasst die Anklageschrift 34 Punkte, erhoben wurde sie von Staatsanwalt Alvin Bragg. Der zuständige Richter in New York ist Juan Manuel Merchan.

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