: Bundestag debattiert, leider kaum über China

von Diana Zimmermann
30.11.2022 | 19:49 Uhr
Wie man über andere spricht, verrät am meisten über einen selbst. Die aktuelle Fragestunde zu den Protesten in China - beantragt von der Ampel - hat das eindrucksvoll belegt.
Aktuelle Stunde zu China im BundestagQuelle: picture alliance / Geisler-Fotopress
Jürgen Trittin (Grüne) lobte den Mut der Chinesinnen und Chinesen. Er analysierte, Peking stecke in einer Sackgasse und folgerte, es brauche eine neue China-Strategie. Da trifft es sich gut, dass Trittins Chefin, Annalena Baerbock, seit einiger Zeit genau an einer solchen Strategie arbeitet.
Trittin trug noch einmal vor, was Mitte November daraus an die Öffentlichkeit gesickert war: Wandel durch Handel sei gescheitert, Chinas Markt nicht länger verlässlich, Deutschland müsse, das habe das Beispiel Russland schmerzhaft gezeigt, souveräner und resilienter werden.

Trittin warnt vor Investitionen in China

Trittin wiederholte eine deutliche Warnung: Unternehmen, die in China investieren, täten dies zunehmend auf eigene Rechnung. Es werde künftig weniger staatliche Absicherung mehr geben. Und so sprach Trittin wie ein strenger Weihnachtsmann: Wer zu Weihnachten unbedingt ein neues I-Phone haben wolle, müsse wissen, dass Apple die Airdrop-Funktion für China eingeschränkt habe.
Protestierende hatten das unkomplizierte Teilen von Dokumenten und Fotos für die Verbreitung von Flugblättern und Aufnahmen genutzt. Nun hat Apple ihnen genau das deutlich schwerer gemacht.

CDU: China-Strategie scheitert schon im Kanzleramt

Johann David Wadephul von der Union hatte leichtes Spiel im Angriff: Die Bundesregierung lasse eine kohärente China-Politik vermissen, der Bundeskanzler stünde für eine andere China-Politik als die Außenministerin.
Und sein Parteikollege Zippelius präzisierte später, deren China-Strategie werde nicht erst in China, sondern schon am Bundeskanzleramt scheitern. Das Papier sei sinnbildlich für das gesamte erste Ampel-Jahr: "Es hängt dem Zeitplan hinterher, bleibt hinter den Erwartungen und Einigkeit ist nicht in Sicht."
Kurz sprach Dagmar Schmidt (SPD) von den Protestierenden in China: "Wir fühlen mit ihnen und stehen an ihrer Seite". Dann war auch sie in eigener Sache unterwegs und erinnerte daran, dass es zu Beginn der Corona-Pandemie viel Bewunderung für Chinas rigides Vorgehen gegeben habe, dass die Systemfrage gestellt wurde: Können Demokratien oder Autokratien besser mit solchen Gefahren umgehen? Die Antwort sei jetzt klar, meinte Schmidt zufrieden:
"Wir sind auf dem Weg in die Normalität, China steckt fest".
Dagmar Schmidt (SPD)
Sie schloss mit der Hoffnung auf einen friedlichen Umgang mit den Protesten.

Chinas Präsident Xi Jinping habe die Null-Covid-Politik "mit seiner Person verknüpft" und, wenn er sie ändern würde, käme das "einem Gesichtsverlust gleich", so ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer.

29.11.2022 | 03:38 min

AfD und Linke kritisieren deutsche Corona-Maßnahmen

Ganz bei sich blieb der Abgeordnete Jürgen Braun von der AfD, der die Pandemie-Politik in China mit der in Deutschland gleichsetzte und folgerte: Die Bundesregierung habe sich in Sachen Lockdown und Pandemie-Kontrolle genau so verhalten, wie die KP China es weiterhin tue. Er erwähnte die Demonstrierenden in China nur einmal: "Wenn die Maskenpflicht komplett fällt, haben wir endlich unsere Freiheit wieder, das wünsche ich auch den mutigen Menschen in China". Braun wurde von empörten Rufen vor allem der Ampel-Abgeordneten unterbrochen.
Für die Linke schlug Sevim Dagdelen in dieselbe Kerbe wie die AfD, die Regierung lege Doppelstandards an, wenn sie Lockdown-Gegner im eigenen Land verteufle und in China als Freiheitskämpfer lobe. Prompt bekam sie Applaus vom rechten Rand im Parlament.
Nachfolgende Redner der Ampel nannten eine Gleichsetzung von deutschen und chinesischen Lockdowns "zynisch" und zeigten sich empört darüber, dass besonders die AfD versuche, die Protestbewegung in China zur Bestätigung ihrer Verschwörungstheorien zu nutzen.

Wie umgehen mit Handelspartner China?

Die meisten Redner hofften mit Alexander Graf Lambsdorff auf "mehr Freiheit" und dass die Protestierenden in Peking die Stunde im Parlament als Unterstützung, die Regierung in Peking sie als Warnung verstehen würden.
Leider wurde das eigentlich spannende Thema, wie nämlich Deutschland sich seinem größten Handelspartner gegenüber verhalten wird, sollten Proteste und die Polizeieinsätze eskalieren, gar nicht erörtert. Die Angst vor der deutschen Reaktion wird sich in Peking wohl in Grenzen halten, solange die Fraktionen im Bundestag vor allem über sich selbst sprechen.
Diana Zimmermann berichtet als Korrespondentin aus dem ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.

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