: Boris Pistorius wird Verteidigungsminister

von Dominik Rzepka
17.01.2023 | 09:30 Uhr
Die Nachfolge der zurückgetretenen Christine Lambrecht (SPD) ist geklärt, sie ist eine Überraschung: Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister.
Boris Pistorius (SPD) wird neuer Verteidigungsminister. Der niedersächsische Innenminister tritt die Nachfolge von Christine Lambrecht (SPD) an, die am Montag von ihrem Amt zurückgetreten war. In einer schriftlichen Mitteilung nennt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Pistorius einen "äußerst erfahrenen Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt...
...und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen.
Olaf Scholz über Boris Pistorius
Der 62-jährige Pistorius hat Jura in Osnabrück und Münster studiert, als Rechtsanwalt gearbeitet und war bis 2013 Oberbürgermeister von Osnabrück. Als niedersächsischer Innenminister stieß Pistorius eine Polizeireform an, als Verteidigungspolitiker trat er bisher selten in Erscheinung. Pistorius sagte am Dienstag, er habe nicht lange überlegen müssen, als ihm das Amt angeboten wurde. Er werde sich vom ersten Tag an zu 150 Prozent in die Aufgabe stürzen.

50 Prozent Frauen: Scholz bricht Versprechen

Mit seiner Wahl gibt Kanzler Olaf Scholz (SPD) das sogenannte Paritätsprinzip auf. Im Kabinett sind künftig neun Männer und nur noch sieben Frauen vertreten, obwohl die SPD-Frauen sowie Teile der Grünen auf eine Quote von 50 Prozent Ministerinnen gepocht hatten. Scholz selbst hatte im November 2020 gesagt:
Ich gebe hier heute das Versprechen ab: Ein von mir als Bundeskanzler geführtes Kabinett ist mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt!
Olaf Scholz im November 2020
Nicht zuletzt wegen dieses Versprechens galten die Wehrbeauftragte Eva Högl sowie die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller (beide SPD), als mögliche Lambrecht-Nachfolgerinnen.

Lambrecht war am Montag zurückgetreten

Der Wechsel im Kabinett war nötig geworden, nachdem die bisherige Amtsinhaberin Christine Lambrecht (SPD) am Montag zurückgetreten war. Lambrecht begründete das auch mit der Rolle der Medien. Eine sachliche Debatte über die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sei nicht mehr möglich gewesen.

Lindner gratuliert Pistorius

Finanzminister Christian Lindner hat dem niedersächsischen Innenpolitiker Boris Pistorius zu seinem neuen Amt als Verteidigungsminister gratuliert. In einem Tweet sprach der FDP-Chef von seinem "neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius". "Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns", schrieb er. Er freue sich auf eine gute Zusammenarbeit.

Habeck begrüßt Entscheidung

"Boris Pistorius ist ein sehr erfahrener Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt", sagt Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). "Ich schätze ihn persönlich sehr und habe ihn immer als verbindlich und verlässlich erlebt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und wünsche ihm alles Gute für das neue Amt, das er in sehr entscheidenden Zeiten übernimmt."

Wadephul: Pistorius keine gute Überraschung

Aus der Union kommt Kritik an der Berufung von Boris Pistorius (SPD) zum neuen Verteidigungsminister. "Der Bundeskanzler zeigt damit, dass er seine eigene Zeitenwende nicht ernst nimmt", sagte der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU). "Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle", kritisierte Wadephul. Bei der Personalie handle es sich um eine "Besetzung aus der B-Mannschaft". Damit sei Kanzler Olaf Scholz (SPD) "eine echte Überraschung gelungen. Nur leider keine gute."

Dobrindt: Pistorius muss Dinge rasch anpacken

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verzichtete auf Lob oder Kritik, sondern stellte Forderungen an den designierten Verteidigungsminister: Pistorius müsse liegen gebliebene Projekte rasch anpacken und etwa das Sondervermögen für die Bundeswehr umgehend umsetzen. Erste Maßnahmen müssten eine "Instandsetzungsoffensive" für die Leopard-Panzer sowie das Bestellen fehlender Munition sein. Zudem müsse schnell die Entscheidung fallen, der Ukraine Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen.

Reservistenverband: Pistorius ist durchsetzungsfähig

Der Reservistenverband der Bundeswehr begrüßt die Personalentscheidung: Boris Pistorius ist "durchsetzungsfähig und hat sich bisher schon intensiv mit den Sicherheitsfragen unseres Landes beschäftigt", sagte der Verbandspräsident Patrick Sensburg der "Rheinischen Post". Der Verband freue sich, dass nun ein Reservist an der Spitze des Ministerium stehe, der schon lange gute und intensive Kontakte zur Reserve in Niedersachsen habe. "Boris Pistorius ist ein erfahrener Innenminister und kennt Menschenführung", betonte Sensburg. "Ich bin mir sicher, dass er sich schnell in die verteidigungspolitischen Details einarbeiten wird."

Weil: Mit sehr gutem Draht zum Militär

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sieht Boris Pistorius (beide SPD) für sein neues Amt gut vorbereitet. "Boris Pistorius hat auch schon bisher in Niedersachsen, einem der größten Bundeswehrstandorte in Deutschland, stets einen sehr guten und engen Draht zum Militär und zu den Soldatinnen und Soldaten", betonte Weil. Für deren Belange und für die Sicherheit der Menschen in Deutschland werde er sich mit aller Kraft einsetzen.

Wehrbeauftragte: "Engagiert und führungsstark"

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, nannte den neuen Minister einen "engagierten, führungsstarken und leidenschaftlichen Politiker". Er sei ein Mann, "dem die Bundeswehr sehr am Herzen liegt und auf den sie sich verlassen kann", sagte sie der "Rheinischen Post".
Zuvor war sie in die Kritik geraten, unter anderem wegen eines verunglückten Silvester-Videos, das sie offenbar ohne Absprache bei Instagram gepostet hatte. Auch Puma-Panzer, die während einer Schießübung im Dezember den Geist aufgaben, wurden für Lambrecht zur Belastung.
Kritik gab es zuletzt auch vermehrt an Kanzler Olaf Scholz. Die Personalie sei sein Fehler gewesen, kritisierten Opposition und Teile der Koalition. Pistorius soll am Donnerstag vereidigt wird.

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