Kolumne

: Warum Basenfasten trotzdem sinnvoll sein kann

von Jens Foell
04.08.2024 | 06:58 Uhr
Der Ernährungstrend suggeriert, dass ausgewählte Lebensmittel den Säure-Basen-Gleichgewicht des Körpers "einrenken". Doch er beruht auf einem wissenschaftlichen Missverständnis.

Die Versprechungen des Basenfastens klingen auf den ersten Blick großartig: Obwohl man essen kann, so viel man will, soll man trotzdem dabei Gewicht verlieren können. Und obwohl man immer noch viele leckere Dinge dabei auf dem Speiseplan haben kann, soll es den Körper trotzdem effizient von Umweltgiften und physiologischen Ungleichgewichten befreien.

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Was basische Ernährung bedeutet

Der Trick bei basischer Ernährung soll sein, dass man nur (oder vor allem) Lebensmittel zu sich nimmt, die während des Stoffwechselprozesses keine Säuren bilden und damit den Körper "entsäuern", also im chemischen Sinne basischer machen - daher auch der Name. Das soll einer chronischen Übersäuerung des Körpers entgegenwirken, die für eine Vielfalt von gesundheitlichen Problemen verantwortlich sein soll.

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Je nach genauer Auslegung kann noch ein genauer Zeitplan dazu gehören, oder es wird ein konzeptioneller Bezug zu der vermeintlichen Ernährung unserer Vorfahren in der Steinzeit gezogen. Gemeinsam haben die unterschiedlichen Ideen zum Basenfasten, dass sie sich zwar auf wissenschaftlich belegte Grundsätze berufen, dann aber meist schnell unbelegte (oder unbelegbare) Behauptungen aufstellen.

Übersäuerung kann tatsächlich zum Tod führen

Denn es ist einerseits korrekt zu sagen, dass der Säure-Basen-Haushalt des Körpers eine große Rolle für unsere Gesundheit spielt. Die wichtigste Variable dabei ist der pH-Wert.
Bei einer Übersäuerung, der so genannten Azidose, können verschiedene grundlegende Funktionen des Körpers nicht mehr vollständig ausgeführt werden, was im schlimmsten Fall zu Koma und Tod führen kann. Geringe Abweichungen können schwerwiegende Folgen haben - ähnlich wie unsere Körpertemperatur: Ein Gleichgewichtssystem, das nicht allzu sehr aus den Fugen geraten sollte, denn sonst geht es schnell bergab.

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Wichtige Schutzsysteme sorgen für Gleichgewicht

Die gute Nachricht dabei: Eben weil der Säure-Basen-Haushalt so ein fundamentales Element unserer körperlichen Gesundheit ist, gibt es gleich mehrere sehr gut funktionierende Mechanismen, um das passende Gleichgewicht beizubehalten. Das kann sich im sehr Kleinen abspielen, zum Beispiel wenn einzelne Zellen auf den Säuregrad ihrer Umgebung reagieren, oder im Großen, wenn die Lungen die unerwünschten Stoffe vermehrt abatmen. Eine große Rolle dabei spielen die Nieren, deren Fehlfunktion einer Azidose vorausgehen kann.

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Warum die Ernährung nur indirekten Einfluss auf den pH-Wert hat

Aber jetzt kommt der Knackpunkt an der Sache: Obwohl Lebensmittel in "sauer" und "basisch" eingeteilt werden, ist es wissenschaftlich nicht überzeugend bewiesen, dass wir unser pH-Gleichgewicht über unsere Ernährung regulieren könnten. Der gesunde Körper bearbeitet die Säuren und Basen aus der Nahrung so, dass das gewünschte Gleichgewicht beibehalten bleibt. Überschüssige Säuren werden dabei unter anderem über den Urin ausgeschieden.
Daher kommt auch ein wichtiges Missverständnis zum Basenfasten, denn man kann durch eine Umstellung der Ernährung durchaus ein messbares Ergebnis erreichen: Der pH-Wert des eigenen Urins kann ganz einfach gemessen werden und so kann man schnell sehen, dass die Basen-Diät einen Einfluss hat - der Urin wird basischer. Das liegt aber nur daran, dass bei dieser Ernährungsweise weniger Säuren im Urin landen müssen, um das übliche Gleichgewicht beizubehalten. Davon auf den relevanten pH-Wert des Körpers zu schließen, wäre also ein Trugschluss.

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Gesunde Ernährung hilft trotzdem

Ist das Basenfasten also kompletter Unsinn? Naja, zumindest geht die Idee von falschen wissenschaftlichen Grundannahmen aus. Aber wenn wir uns anschauen, was die Methode üblicherweise empfiehlt, dann macht manches davon Sinn: Man soll viel Obst und Gemüse zu sich nehmen, dafür weniger Fleisch. Manchmal gehört auch ausreichende Bewegung dazu. Gegen all das ist aus Sicht der Wissenschaft zunächst nichts einzuwenden, eher im Gegenteil.
Wie bei vielen Diäten oder Ernährungsplänen, denen man zumeist online oder im Familienchat begegnet, sind die Heilsversprechen oft überzogen und die Annahmen gehen weit über das hinaus, was wissenschaftlich nachgewiesen werden kann. Glücklicherweise gehört der pH-Wert unseres Körpers zu den wenigen Dingen, über die wir uns im Alltag selten Gedanken machen müssen. Zumindest für den gesunden Körper ist die Empfehlung, die am ehesten dem Stand der Wissenschaft entspricht: eine ausgewogene Ernährung.

Dr. Jens Foell ...

... ist promovierter Neuropsychologe, Bestsellerautor und Redakteur bei MAITHINK X. Seine Leidenschaft gilt der Vermittlung von Wissenschaft durch Forschende. Zu diesem Zweck gründete er den beliebten Twitter-Account "Real Scientists DE" und gibt regelmäßig Seminare und Vorträge zum Thema.

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