: Kinder: Nicht genesen, trotzdem vergessen?

von Sibylle Bassler
11.02.2023 | 19:01 Uhr
Exakte Zahlen über Kinder und Jugendliche, die an Long Covid erkrankt sind, gibt es nicht. Doch es gibt erste Hinweise, bei welchen Kindern ein erhöhtes Risiko besteht.
Kinderklinik in Stuttgart (Archivfoto)Quelle: dpa
Elli ist zwölf Jahre alt, ein fröhliches Mädchen, voller Tatendrang. Ein Energiebündel, kaum zu halten, beschreibt sie ihre Mutter Lena Riepl. Bis sie im Februar 2022 an Corona erkrankt.

Viele Symptome nach der Akutphase

Nach zwei Wochen scheint sie genesen, geht wieder zur Schule. Doch bald merken ihre Eltern, dass etwas nicht stimmt. Elli wird schnell müde, schafft ihre Hausaufgaben nicht mehr, ist unkonzentriert und klagt über Schmerzen. Selbst ein Wasserglas zu halten, fällt der jungen Leistungssportlerin schwer.
Auch Amanda Zaus leidet seit einem Jahr unter den Folgen von Corona: ständiges Herzrasen, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit, Atembeschwerden. Es fühle sich "wie ein voller Wäschekorb an, der auf meine Brust drückt", so der Teenager. Und dauernd diese Müdigkeit.

In Deutschland gibt es noch immer zu wenige spezialisierte Ambulanzen für Long-Covid-Fälle. Es fehlt an Fördergeldern für Therapieforschung. Die Aktionsgruppe #NichtGenesen gibt den Vergessenen der Pandemie eine Stimme.

04.02.2023 | 04:57 min
Mal habe sie gute, meist aber schlechte Tage. Und die verbringe sie dann zwischen Bett und Sofa. Dass kaum jemand ihre Krankheit ernst nimmt, weil man sie ihr nicht ansieht, das belastet Amanda sehr.

Long Covid hat viele Gesichter

Das Tückische an dieser Krankheit: Sie hat viele Gesichter. Der Kinderkardiologe Daniel Vilser hat am Uniklinikum Jena in der Post-/Long-Covid-Ambulanz betroffene Kinder und Jugendliche behandelt. Eines der Hauptprobleme sei eine klare und sichere Diagnose von Long Covid, da die Symptome unspezifisch seien.
Es gibt über 200 Symptome, die in Verbindung damit stehen sollen, die jedoch auch anderen Krankheitsbildern zugeordnet werden können.
Daniel Vilser, Kinderkardiologe
Vom Fatigue Symptom, der ständigen Müdigkeit und schweren Belastbarkeit, bis zu Atembeschwerden, Herzrasen oder Konzentrationsstörungen - die Anzeichen sind vielfältig. Und das mache die Behandlung der Betroffenen so schwierig.

Erste Hinweise auf gefährdete Gruppen

Doch es gibt Hinweise, wer ein höheres Risiko für eine Erkrankung trägt. So sind Mädchen, Teenager, Kinder und Jugendliche mit bestimmten Vorerkrankungen sowie Kinder und Jugendliche, die wegen eines schweren Covid-19-Verlaufs im Krankenhaus behandelt wurden, häufiger davon betroffen. 
In seltenen Fällen treten schwere Entzündungen etwa drei bis vier Wochen nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus auf. Diese als "Pims" (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) oder auch als "MIS-C" (Multisystem Inflammatory Syndrome in Children) bezeichnete Erkrankung äußert sich unter anderem durch Fieber, Schmerzen, Erbrechen, Ausschlag und Müdigkeit. Manche Kinder müssen auf der Intensivstation behandelt werden, die Erkrankung ist mittlerweile aber gut behandelbar.

Vollbremsung durch chronische Erschöpfung

Derzeit wird Elli in einer Fachklinik behandelt. Bei ihr wurde das chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS festgestellt, eine besonders schwere Form der Erkrankung. Die Hoffnungen auf eine Verbesserung ihres Zustands sind groß.
Zu Hause spielt sich ihr Leben auf wenigen Quadratmetern ab. Treppen kann sie nicht mehr steigen, die meiste Zeit ist sie an ihr Bett gefesselt. Lesen, Musikhören, Telefonieren - alles, sagt ihre Mutter, erschöpfe ihre Tochter. Gleich nach dem Aufwachen sei Elli bereits wieder müde.
Sie sagt dann: "Mama, ich brauche Pause". Und ich denke mir: Pause? Nach dem Schlafen?
Lena Riepl, Mutter von erkrankter Elli

Gesucht: Wege für alternative Beschulung

An Schule, an die Zukunft sei im Moment überhaupt nicht zu denken, so Lena Riepl. Dennoch kämpft sie gemeinsam mit anderen Eltern darum, für betroffene Kinder und Jugendliche Wege zu schaffen, um ihnen Schulunterricht zu ermöglichen - Schulbegleitung, Schulbeförderung oder Hausunterricht.
Es ist eine wahre Odyssee durch Schulen, Ämter, Behörden, bis Betroffene Hilfe finden. "Ich hätte vorher nicht gedacht", sagt die 41-jährige Lena Riepl, "dass man so durch ein System rauschen kann."

Wenn durch Corona der soziale Abstieg droht

09.08.2022 | 16:44 min
Mit ein Grund, warum sie sich in der Initiative "NichtGenesenKids" engagiert, um anderen Eltern zu helfen. Sei es beim Kontakt, Austausch und der Kommunikation mit Ärzten, Fachambulanzen, Ämtern, Schule, Krankenkasse und und und. "Ich versuche, anderen Familien das Leid zu ersparen, damit sie sich auf die Gesundheit ihres Kindes konzentrieren können."
Ihr Ziel: Kinder mit Long Covid sollen endlich gesehen werden.

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