: Nasrallah scheut den Krieg mit Israel

von Nils Metzger
03.11.2023 | 16:41 Uhr
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat sich erstmals zum Gaza-Krieg geäußert. Klare Hinweise darauf, dass Hisbollah voll in den Konflikt einsteigen könnte, gab Nasrallah aber nicht.

Seine erste Rede seit Kriegsbeginn wurde mit Spannung erwartet: Hisbollah-Chef Nasrallah lobte den Angriff der Hamas – und drohte mit Eskalation. Alle Optionen lägen auf dem Tisch.

03.11.2023 | 02:45 min
Kaum eine Rede im aktuellen Gaza-Krieg war gespannter erwartet worden. Millionen Menschen im Libanon und der gesamten Region blickten am Freitag gebannt auf ihre Fernseher, um dem Mann zuzuhören, der darüber entscheidet, ob er ein weiteres Land in den Krieg mit Israel hineinzieht.
Doch Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah blieb in seiner langatmigen Rede klare militärische Antworten schuldig. Weder kündigte der Chef der mächtigen libanesischen Terror-Miliz eine Ausweitung seiner Angriffe auf Israel an, noch eine klare Strategie, wie Hisbollah auf die laufende israelische Offensive im Gazastreifen reagieren werde. Die Botschaft war eine abwartende.
Alle Optionen sind auf dem Tisch und wir können uns zu jeder Zeit für jede Option entscheiden. Wir müssen alle bereit sein für alle Möglichkeiten.
Hassan Nasrallah, Hisbollah-Generalsekretär

Was sagte Nasrallah zum Hamas-Terrorangriff auf Israel?

Den grausamen Angriff auf israelische Zivilisten bezeichnete Nasrallah als "Heldentat" und als "große Tat, der wir Respekt zollen müssen". Weite Teile der Rede waren gespickt mit Verschwörungserzählungen und Falschinformationen über angebliche israelische Inszenierungen ziviler Opfer. Der Angriff habe, laut Nasrallah, ein militärisches und politisches Erdbeben in Israel ausgelöst.

Mit Spannung erwartet: Die Rede von Hisbollah-Chef Nasrallah wurde mit Spannung erwartet - eine Analyse.

03.11.2023 | 30:24 min
Er leugnete, dass Hisbollah und der Iran in die Vorbereitungen eingebunden gewesen seien. Verschiedene Medien hatten in den vergangenen Wochen über entsprechende Treffen und Trainings mit iranischer Beteiligung berichtet.
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"Es war eine zu 100 Prozent palästinensische Entscheidung und zu 100 Prozent palästinensische Umsetzung", sagte Nasrallah über den Terror-Angriff vom 7. Oktober. "Dieser Konflikt ist vollständig palästinensisch, er hat mit keinem anderen regionalen Konflikt zu tun." Zwar würde der Iran Gruppen wie Hamas und Hisbollah offen unterstützen, aber nie Einfluss auf deren Entscheidungen nehmen, behauptete Nasrallah.
Am Samstag [den 7. Oktober] waren wir überrascht wie jeder andere auch.
Hassan Nasrallah, Hisbollah-Generalsekretär
Auch dankte er vom Iran unterstützten Gruppen im Irak und im Jemen für ihre Angriffe auf US-Truppen und Ziele in Israel.

Noch spiele Hisbollah-Chef Nasrallah "nach den Spielregeln", aber das Risiko einer Ausweitung des Krieges sei real, sagt ZDF-Korrespondentin Golineh Atai.

03.11.2023 | 02:25 min

Wie steht die Hisbollah zu einem Krieg mit Israel?

In den vergangenen Wochen hatten Hamas-Vertreter immer lautstärker ein größeres Engagement der Hisbollah eingefordert. Ihnen erteilte Nasrallah eine Absage. "Der islamische Widerstand im Libanon kämpft seit dem 8. Oktober einen echten Kampf mit Israel", betonte Nasrallah. Hisbollah nehme israelische Militärbasen von der Küste bis zu den Schebaa-Farmen täglich unter Beschuss.
"Was an unserer Front geschieht, hat eine große Bedeutung", sagte Nasrallah. "Einige im Libanon sagen, wir gehen ein Risiko ein. Ich sage: Dieses Risiko ist es wert." Weite Teile seiner Rede verbrachte Nasrallah damit, aufzulisten, welche angeblichen Erfolge die begrenzten Schläge seiner Miliz bereits hätten und wie viele israelische Truppen das binden würde. Was er damit implizit ausdrückt: Erwartet vorerst nicht mehr von uns.

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben die Stadt Gaza eingekreist. Dabei stoßen die Soldaten auf erbitterten Widerstand von Kämpfern der Hamas.

03.11.2023 | 02:05 min
Trotz der zahlreichen Toten im Gazastreifen und dem entschiedenen Vorgehen gegen die Hamas-Terroristen scheint Israel die roten Linien des Hisbollah-Chefs bislang nicht überschritten zu haben. So betonte er, dass das militärische Vorgehen seiner Miliz vom weiteren Vorgehen Israels und der USA abhänge. Beide warnte Nasrallah mehrfach, nicht präventiv gegen Hisbollah vorzugehen. "Eure Marine-Schiffe im Mittelmeer ängstigen uns nicht", sagte er mit Blick auf die vor der Küste liegenden US-Flugzeugträger.
Lesen Sie hier die Hintergründe zur Hisbollah und der Stärke der libanesischen Terror-Miliz:

Wie schätzen Experten die Rede Nasrallahs ein?

"Nasrallah scheint darauf aus zu sein, die Hisbollah-Eskalationsleiter nicht weiter nach oben zu steigen. Die Rede ist ein Balanceakt zwischen stark wirken, Hamas zu unterstützen, sie vom Iran zu distanzieren und gleichzeitig einen ausgewachsenen Krieg mit Israel zu vermeiden", schreibt Matthew Levitt, Libanon-Experte am Washington Institute for Near East Policy auf X.
Tobias Schneider vom Global Public Policy Institute in Berlin betont:
Eine Rede, maßgeschneidert, um vorerst zu vermeiden, Hisbollah und Verbündete zu irgendeiner Aktion bezüglich Gaza zu verpflichten.
Tobias Schneider, Global Public Policy Institute
"Nahezu einen Monat nach dem 7. Oktober musste Nasrallah sprechen und irgendetwas sagen", schreibt Schneider auf X. "Aber ich glaube, dass der kritische Moment der Entscheidung für die iranischen Revolutionsgarden und Hisbollah noch einige Zeit entfernt ist." Es hänge davon ab, wie die israelische Offensive in Gaza verlaufe und ob die Lage für Hamas und den Islamischen Dschihad kritisch werde.

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