: Shoah-Zeitzeuge kritisiert Siedlungspolitik

von Felix Rappsilber
17.11.2023 | 01:42 Uhr
Der Holocaust-Überlebende Ivar Buterfas-Frankenthal berichtet von einem "Inferno". Im aktuellen Krieg in Nahost fordert er Anstrengungen von israelischer Seite.

Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 16. November.

16.11.2023 | 81:15 min
Der Terrorangriff der Hamas auf Israel hat Ivar Buterfas-Frankenthal stark mitgenommen. Die dort verübten Verbrechen seien "sehr, sehr schwer zu verkraften", sagte der jüdische Überlebende des Holocausts am Donnerstagabend bei Markus Lanz.

Der Angriff der Hamas und die Folgen

Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas und anderer Gruppen bei Massakern und Angriffen im israelischen Grenzgebiet rund 1.200 Menschen getötet und zahlreiche Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die israelischen Streitkräfte flogen daraufhin Luftangriffe und rückten mit Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein.
Gleichzeitig forderte er, dem "dauerhaften Morden" im Nahen Osten ein Ende zu setzen.
Wir müssen doch wirklich mal an das Übel der Wurzel herangehen.
Ivar Buterfas-Frankenthal, Holocaust-Überlebender
"Und da müssen sich die Politiker wirklich was einfallen lassen, dass man vielleicht auch den Arabern ein kleines bisschen gerecht wird. Die haben doch auch eine Berechtigung auf ihre Existenz. Das ist doch ganz klar. Sonst kriegen wir das Morden doch nie mehr raus."

"Meine Hoffnung ist, dass Mitgefühl auch meinem Volk gegenüber ausgedrückt wird", so Laith Arafeh, Palästinensischer Botschafter.

13.11.2023 | 10:19 min

"Gedanken machen" über Israels Siedlungspolitik

Dafür müsse man sich auch "mal Gedanken machen über die Siedlungspolitik" Israels. "Ein Land wird immer kleiner, ein anderes nimmt immer mehr Platz ein. Das sind doch die nackten Fakten", sagte er.
Den Konflikt könne man "nicht mit Gewalt lösen, denn Gewalt kann keine Lösung sein. Hier müssen sich die Politiker mithilfe der großen Nationen an einen Tisch setzen".
Darüber hinaus berichtete Buterfas-Frankenthal über seine Erfahrungen in Nazi-Deutschland und über die Anfeindungen, denen er als sogenannter "Halbjude" ausgesetzt war. "Ich konnte gar nicht begreifen: Was ist denn überhaupt ein Jude? Ist das eine Krankheit? Was habe ich an mir? Was ist anders?", sagte er.
ZDFheute Infografik
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Buterfas-Frankenthal: "Ein Inferno war losgebrochen"

Eines Tages, während des Morgenappells in der Schule, habe der Schulleiter "ganz laut, dass alle es hören konnten", zum jungen Ivar gesagt: "Hör mal zu, du kleiner Judenlümmel: Du verlässt sofort unseren Schulhof. Du verschwindest und lässt dich hier nie wieder sehen und du wirst mit deinem jüdischen Pest-Atem unsere arische Luft nicht weiter belasten."
Im selben Moment sei ein "Inferno" losgebrochen:
Die Mädchen traten nach mir. Einige spuckten nach mir und ich lief so schnell, wie ich konnte, vom Schulhof.
Ivar Buterfas-Frankenthal, Holocaust-Überlebender
Hitlerjungen hätten Ivar "geschnappt": "Einer von den Großen riss mir die kurze Hose runter und brannte mir mit einer Zigarette ein Loch in den Oberschenkel."
Die Hitlerjungen hätten ein Abtrittgitter in Brand gesetzt, "mich auf die Roste gestellt", geschlagen, Lieder gesungen und gesagt: "Jetzt werden wir die kleine Judensau mal bei lebendigem Leibe rösten."

Nachdem 1933 Hitler an die Macht kommt, werden Juden entrechtet und gedemütigt. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verschärft sich das Vorgehen gegen die Juden. Am Ende steht der systematische Völkermord an Millionen Menschen.

24.01.2019 | 07:02 min

Ivars Mutter und die Kinder verstecken sich vor den Nazis

Felix Buterfas, Ivars Vater, sei 1934 als "Kommunist und Jude" ins Konzentrationslager Esterwegen deportiert worden. Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 hatte "alle Juden zu sogenannten Staatenlosen" gemacht.
Orla Buterfas, Ivars Mutter, sei daraufhin gemeinsam mit ihren acht Kindern nach Polen geflohen und dort nur knapp der Verhaftung entgangen. Nach Hamburg zurückgekehrt, hätten sich Orla und die Kinder bis zum Einmarsch der Briten am 3. Mai 1945 in einem Kellerloch versteckt.
Felix Buterfas sei 1945 aus dem KZ Sachsenhausen zurückgekehrt, "unversehrt, was wir uns alle gewünscht hatten": "Kein Armbruch, kein Beinbruch, aber seelisch gebrochen."

Sie überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt, wanderte aus und kam mit 88 Jahren zurück nach Berlin: Das ZDF hat ihr bewegendes Leben verfilmt: "Ich bin! Margot Friedländer"

03.11.2023 | 02:29 min

Buterfas-Frankenthal: Nazi-Verbrechen nie vergessen

Ivar Buterfas-Frankenthal berichtet heute Schülern von seinen Erfahrungen: "Leider haben wir mit dem Antisemitismus eine Menge zu tun, schon seit 2.000 Jahren. Wir dürfen nicht zu blauäugig sein, wenn wir glauben, dass wir den restlos austreiben."
Öffentlichen Forderungen, einen Schlussstrich unter der nationalsozialistischen Geschichte Deutschlands zu ziehen, widersprach Buterfas-Frankenthal: "Schluss mit dem Schlussstrich!" Man müsse schon "mit der fünften Klasse anfangen, über den Nationalsozialismus aufzuklären".
Er sagte: "Am 8. Mai 2045 können alle Deutschen, wenn sie klug sind und die AfD bei jeder Gelegenheit bekämpfen, 100 Jahre deutschen Frieden feiern."

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