: Scholz und Tusk wollen engere Partnerschaft

02.07.2024 | 12:44 Uhr
Deutschland und Polen wollen ihre Zusammenarbeit intensivieren - etwa bei der Sicherheit. Kanzler Scholz und Premier Tusk haben in Warschau einen gemeinsamen Aktionsplan verkündet.

Die deutschen Minister besuchen Warschau, um die deutsch-polnische Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen zu erneuern. Was dafür jedoch noch fehlt, ist der deutsche Haushalt.

02.07.2024 | 02:43 min
Die Regierungen von Deutschland und Polen haben an diesem Dienstag in Warschau bei den ersten Regierungskonsultationen seit sechs Jahren einen bilateralen Aktionsplan beschlossen, der das Miteinander der kommenden Jahre regeln soll. Das 40-seitige Papier sieht dabei eine engere Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Feldern vor.

Sicherheit und Verteidigung wichtigstes Thema

Ein großer Teil des Aktionsplans befasst sich mit dem Thema Verteidigung. Das EU- und Nato-Mitglied Polen ist einer der engagiertesten politischen und militärischen Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine. Zudem hat das Land, das außer an die Ukraine auch noch an Belarus und die russische Exklave Kaliningrad grenzt, als Frontstaat neue Bedeutung erhalten. In dem Papier heißt es nun:
Wir werden die Interoperabilität und Standardisierung unserer Verteidigungskapazitäten verstärken, Produktionskapazitäten erhöhen und Investitionen unserer Verteidigungsindustrie fördern.

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Konkret ist davon die Rede, im Bereich Panzer und Munition gemeinsame Initiativen zu entwickeln. Dabei geht es auch um eine erhöhte Verfügbarkeit von Ersatzteilen für Leopard-Kampfpanzer, die beide Länder an die Ukraine geliefert haben.
Außerdem wollen Polen und Deutschland ihre "Bemühungen zur Schaffung einer stärkeren und leistungsfähigeren europäischen Säule in der Nato", die wesentlich zum Abschreckungspotenzial des Bündnisses beitrage, aufeinander abstimmen, heißt es weiter.

Was noch im Aktionsplan steht

Grenzkontrollen und Migration

"Wir werden darauf hinwirken, dass der Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen an den Binnengrenzen reibungslos funktioniert, indem wir die grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit verbessern", heißt es. Da derzeit aber Kontrollen auch an den deutsch-polnischen Grenzen nötig seien, wolle man die Auswirkungen auf den Verkehr sowie auf den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen zumindest minimieren. Beide Regierungen fordern eine solidarischere Lastenverteilung in der EU bei der Aufnahme und Finanzierung ukrainischer Kriegsflüchtlinge.

Sicherheit und Verteidigung

Russland wird in dem gemeinsamen Papier als die größte Bedrohung für den Frieden in Europa genannt. Zudem wird eine engere Zusammenarbeit in einer Reihe von Feldern wie der militärischen Logistik oder der Treibstoffversorgung der Nato angestrebt. "Wir beabsichtigen, gemeinsame Initiativen zu eruieren und zu entwickeln, insbesondere im Bereich Panzer und Munition", heißt es zum Rüstungsbereich. Hier dringt Polen darauf, Zugang zu westlichen Technologien zu bekommen. "Daneben beabsichtigen wir, Möglichkeiten für eine erhöhte Verfügbarkeit von Ersatzteilen für Leopard-Panzer und für eine Modernisierung der Leopard-2A4-Panzer auf die Version 2PLM1 zu prüfen, wobei beide Industrien einbezogen werden", heißt es. Polen erwägt zudem, sich an der von Deutschland koordinierten Initiative "European Sky Shield" zu beteiligen.

Russland und Ukraine

Beide Regierungen betonen, dass Russland die größte und "unmittelbarste" Gefahr für den Frieden in Europa sei. Gemeinsam wird die Entschlossenheit betont, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen und die Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen. Auch die Sanktionen gegen Belarus sollen verstärkt werden. Geplant ist darüber hinaus eine Abstimmung im Abwehrkampf einer von Russland ausgehenden Desinformation.

Reparationen und Vergangenheit

Das Thema Reparationen wird in dem Aktionsplan nicht erwähnt - vor allem keine Zahlen für Leistungen aus Deutschland an Überlebende polnische NS-Opfer. Deutschland bekennt sich aber zu der Verantwortung für die NS-Gräuel. "Die beiden Regierungen führen einen intensiven Dialog über Maßnahmen zur Unterstützung für die noch lebenden Opfer des deutschen Angriffs und der Besatzung in den Jahren 1939 bis 1945, des Gedenkens sowie der Sicherheit", heißt es allgemein. Eine wichtige Rolle werde dabei die Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung spielen. Die frühere PiS-Regierung hatte Reparationen von 1,3 Billionen Euro gefordert, was Deutschland abgelehnt hatte.

EU-Reformen

Beide Regierungen betonen, einen "ehrgeizige" Reformagenda in der EU vorantreiben zu wollen und sich dabei eng abzustimmen. Dazu soll eine bilaterale Gruppe ins Leben gerufen werden. "Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit ist daher eine Grundvoraussetzung für eine Stärkung der EU insgesamt", wird deshalb auch betont.

Wirtschaft, Umwelt und Verkehr

Polen und Deutschland bekennen sich zu einer Kapitalmarktreform in der EU und Investitionen in geostrategisch wichtige Bereiche. Auch die polnische Regierung bekennt sich zum ökologischen Umbau der Energieversorgung. Zudem soll eine deutsch-polnische Arbeitsgruppe für Energie und Klima eingerichtet werden. Die PiS-Regierung hatte stark auf Kohle gesetzt.

Raffinerie in Schwedt

Beide Regierungen bekennen sich dazu, die deutsch-polnische Zusammenarbeit von Unternehmen in den Bereichen Rohöl-Infrastruktur und Stabilität der Kraftstoffversorgung von Deutschland nach Polen fördern. "Wir werden uns im Hinblick auf die Sicherstellung der Öllieferungen an die Raffinerie PCK in Schwedt, den Bedarf und Status von Öllieferungen an die Raffinerie PCK in Schwedt über das polnische Unternehmen Naftoport und dessen Eigentümerstatus abstimmen", heißt es dazu. (Quelle: Reuters)

Hoffnung auf Neustart mit neuer Regierung

In den vergangenen Jahren hatte die nationalkonservative PiS-Regierung, die Polen von 2015 bis 2023 führte, mit antideutschen Tönen und Reparationsforderungen in Höhe von 1,3 Billionen das Verhältnis zerrüttet. Zusammen mit der Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk soll nun ein Neustart beginnen.

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Auch Tusk hat in der Vergangenheit betont, dass er eine materielle und moralische Wiedergutmachung von Deutschland für die Schäden des Zweiten Weltkriegs erwartet. In dem nun vorliegenden Dokument heißt es:
Die beiden Regierungen führen einen intensiven Dialog über Maßnahmen zur Unterstützung für die noch lebenden Opfer des deutschen Angriffs und der Besatzung in den Jahren 1939 bis 1945, des Gedenkens sowie der Sicherheit.
Konkrete Zusagen über Zahlungen werden nicht gemacht.

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Es gibt die Chance, dass die deutsch-polnischen Beziehungen dadurch noch aktiver werden.
Agnieszka Lada-Konefal, Deutsches Polen-Institut
Für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen auch deshalb an Bedeutung gewonnen, weil Frankreich als enger Partner Deutschlands auszufallen droht. "Nachdem die französische Wahl so herausfordernd ausgegangen ist, ist es umso wichtiger geworden, dass wir heute hier sind", sagte Habeck dem ZDF.
Quelle: dpa, AFP

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