: Trump und die (nicht) neutralen Richter

von Anna Kleiser
06.06.2024 | 15:17 Uhr
Die Neutralität zweier Richter am Obersten Gericht der USA wird angezweifelt - in einem Jahr, in dem der Supreme Court über die US-Wahl entscheiden könnte. Im Zentrum: Trump.
Wird die zweifelhafte Neutralität zweier Richter zum Vorteil für Donald Trump?Quelle: AFP
Selten hatten Gerichte in den USA eine so entscheidende Rolle bei einer US-Wahl. Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump vergangene Woche im Schweigegeld-Prozess schuldig gesprochen wurde, sprangen ihm weite Teile der Republikaner zur Seite und wetterten gegen das Justizsystem. Sie werfen den Demokraten vor, es zu missbrauchen und teilen damit Trumps Narrativ der politischen Hexenjagd.

Als erster US-Ex-Präsident wurde Donald Trump in einem Strafprozess schuldig gesprochen. Er versucht nun, das Urteil für sich zu nutzen - als "politischer Gefangener".

31.05.2024 | 01:46 min
Mike Johnson, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, schlug vor, der Supreme Court solle eingreifen.
Ich glaube, dass die Richter am Gericht - ich kenne viele von ihnen persönlich - genauso wie wir tief besorgt darüber sind. Ich denke also, sie werden die Sache klären.
Mike Johnson, Sprecher Repräsentantenhaus
Das ist zum einen rechtlich schwierig und zum anderen ethisch fragwürdig. Denn: Johnsons Sicherheit, dass der Oberste Gerichtshof Trump retten würde, kommt in einer Zeit, in der mehrere Skandale das Gericht erschüttern und das Vertrauen in diese Institution historisch tief ist.

In Europa schrillen die Alarmglocken. Trumps Drohungen, die NATO zu verlassen, sorgen für Unsicherheit im Bündnis. Könnte sich Europa ohne Amerika gegen Russland verteidigen?

15.02.2024 | 15:58 min

Supreme Court: Neutralität von Richtern angezweifelt

Noch immer ist vor dem Supreme Court die Entscheidung über die Immunität von Donald Trump offen. Wie die mehrheitlich konservativen Richter urteilen, könnte am Ende über die Präsidentschaft entscheiden. Davon hängt nämlich einer der wichtigsten Prozesse gegen Trump ab - der ihm enorm schaden könnte.
Daher hat es enormes Gewicht, dass die Neutralität von zwei Richtern angezweifelt wird. Die Richter Samuel Alito und Clarence Thomas werden öffentlich aufgefordert, sich aus allen Fällen zurückzuziehen, die den früheren US-Präsidenten Donald Trump betreffen. Das werden sie jedoch nicht tun.

Was ist der Supreme Court?

Quelle: dpa
Der Supreme Court ist der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Als letzte Instanz hat der Gerichtshof die Aufgabe, dem amerikanischen Volk das Versprechen gleicher Gerechtigkeit vor dem Gesetz zu gewährleisten und fungiert somit auch als Hüter und Ausleger der Verfassung. Er versammelte sich erstmals 1790. Sitz des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten ist Washington, D.C.

Wer sind die Richter am Supreme Court?

Der Oberste Gerichtshof besteht aus neun Richtern:

John G. Roberts (Oberster Richter)

von George W. Bush nominiert, seit 2005 im Amt

Clarence Thomas

von George Bush nominiert, seit 1991 im Amt

Samuel A. Alito

von George W. Bush nominiert, seit 2006 im Amt

Sonia Sotomayor

von Barack Obama nominiert, seit 2009 im Amt

Elena Kagan

von Barack Obama nominiert, seit 2010 im Amt

Neil M. Gorsuch

von Donald Trump nominiert, seit 2017 im Amt

Brett M. Kavanaugh

von Donald Trump nominiert, seit 2018 im Amt

Amy Coney Barrett

von Donald Trump nominiert, seit 2020 im Amt

Ketanji Brown Jackson

von Joe Biden nominiert, seit 2022 im Amt

Kontroversen um US-Richter

Die Debatte kam ins Rollen, weil an zwei Häusern des ultrakonservativen Richters Samuel Alito umstrittene Flaggen gesichtet wurden. Die beiden Flaggen werden häufig von Trump-Unterstützern und nationalistischen Christen verwendet, daher der Vorwurf der Befangenheit. Alito verweist darauf, dass seine Frau die Flaggen gehisst habe und keine "vernünftige Person ohne politische oder ideologische Beweggründe" ihn dafür abberufen würde.
Bei Richter Thomas besteht neben Korruptionsvorwürfen ebenfalls eine Kontroverse um seine Ehefrau. Ginni Thomas gilt als treue Trumpistin und war eine treibende Kraft beim Versuch, die Präsidentschaftswahl 2020 für ungültig zu erklären. Dennoch will Thomas auch über Fälle, die den Sturm aufs Kapitol betreffen, urteilen.

Richter entscheiden selbst über ihre Neutralität

Darüber ist erneut eine heftige Debatte entbrannt - über Parteilichkeit, Moral und Integrität des Gerichts. Der demokratische Senator Jamie Raskin fordert, das Justizministerium könne und müsse die beiden Richter dazu zwingen, sich aus den Fällen um den Sturm auf das US-Kapitol zurückzuziehen.
Es scheint unbegreiflich, dass die beiden Richter damit durchkommen könnten, selbst zu entscheiden, ob sie unparteiisch sein können. 
Jamie Raskin, demokratischer Senator - in der New York Times 
Tatsächlich sind die Richter auf Lebenszeit gewählt und entscheiden selbst, so sie sich denn für befangen halten. Verbindliche Ethikregeln fehlen. Juraprofessor James Sample sagt gegenüber ZDFheute:
Es gibt keine Kontrolle. 
Prof. James Sample, Hofstra Universität 
Das Handeln der beiden Richter würde lediglich den Status Quo verstärken, dass sie "parteiisch handeln können und tun, was sie wollen", meint Jack Goldstone, Politikwissenschaftler an der George-Mason-University.

Im Januar stürmten radikale Anhänger des damaligen US-Präsidenten Trump das Kapitol in Washington. Fünf Menschen starben. Welche Rolle hat Trump bei diesem Angriff gespielt? Auch darum geht es in einem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses.

28.07.2021 | 02:37 min

Großer Vertrauensverlust in Bevölkerung der USA

Das bleibt nicht ohne Folgen. Anekdotisch zeigt das der Kommentar eines jungen Mannes, kürzlich gesehen, der am Gericht vorbeilief und zum Gebäude rief.
Ich glaube nicht mehr an dich. Früher habe ich an dich geglaubt. Danke für nichts.  
Passant vor dem Gerichtsgebäude

Der Oberste Gerichtshof der USA hat einen Ausschluss des früheren US-Präsidenten Trump von den Vorwahlen in Colorado zurückgewiesen. Für Trump ein "großer Sieg für Amerika".

04.03.2024 | 02:29 min
Umfragen zeigen, dass die Menschen in den USA Vertrauen in nahezu alle öffentlichen Institutionen verloren haben. Weniger als die Hälfte des Landes hat Vertrauen in die Arbeit des Obersten Gerichts.
Die Nebenwirkung der freiwilligen, selektiven und unkontrollierten Selbstkontrolle ist ein Gericht, das von der Bevölkerung immer weniger als legitim angesehen wird. 
Prof. James Sample, Hofstra Universität 
Die meisten Amerikaner würden den Obersten Gerichtshof heute so sehen, wie jede andere politische Institution, sagt Goldstone: "Als grundsätzlich parteiisch und auf die Verfolgung ihrer eigenen persönlichen und politischen Agenda ausgerichtet."

Im New Yorker Prozess gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump um die mutmaßliche Vertuschung einer Schweigegeldzahlung hat die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels ihre angebliche Sexaffäre mit dem Angeklagten geschildert.

08.05.2024 | 02:14 min

Gesetzgebung hängt im US-Kongress fest

Tatsächlich gibt es ein Bundesgesetz, das besagt, dass Richter sich selbst disqualifizieren müssen, wenn ihre Unparteilichkeit "begründet infrage gestellt werden könnte". Für einige Juristen ist diese Grenze erreicht.
Ja, es ist meiner Meinung nach berechtigt, Alitos Unparteilichkeit infrage zu stellen.
Prof. James Sample, Hofstra Universität
Geschehen wird jedoch nichts. Der Vorsitzende Richter hat klargemacht, er wird sich nicht einmischen. Trotz des Aufschreis hält auch der Kongress die Füße still.
Unabhängig vom konkreten Fall würden nur verbindliche Ethikregeln helfen. Ein entsprechendes Gesetz hängt seit langem im Kongress fest. Die Frage, wie Vertrauen wieder hergestellt werden kann, ist unbeantwortet.
Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington.

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