: FDP und Grüne: Erste Gespräche mit Selfie

29.09.2021 | 03:57 Uhr
Die Spitzen von Grünen und FDP haben sich zur Vorsondierung getroffen. Auf Instagram posteten FDP-Chef Lindner sowie die Grünen-Chefs Baerbock und Habeck ein Foto vom Treffen.
Ein gemeinsames Foto auf den Instagram-Accounts von FDP-Parteichef Christian Lindner, FDP-Generalsekretär Volker Wissing sowie den beiden Grünen-Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck belegt: Die Gespräche über eine gemeinsame Regierungsbildung haben begonnen.
Das erste Treffen für sogenannte Vorsondierungen kommentierten die Vier übereinstimmend:
Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten.
Instagram-Erklärung von Lindner, Wissing, Baerbock, Habeck

Lindner: FDP und Grüne mit großen Unterschieden

Die FDP hatte am Montag sogenannte Vorsondierungen mit den Grünen beschlossen. Zugleich hatte Lindner die großen inhaltlichen Unterschiede zwischen seiner Partei und den Grünen hervorgehoben. Er attestierte beiden Parteien aber auch, sich am stärksten gegen den Status quo der großen Koalition gewandt zu haben.
Es gilt als sicher, dass FDP und Grüne einer neuen Bundesregierung angehören werden. Erklärtes Ziel beider Parteien ist die Einigung auf Grundlinien einer politischen Zusammenarbeit, die als Voraussetzung für einen "Neustart" der Regierungspolitik in Deutschland dienen soll.

Grüne und FDP - Differenzen und Gemeinsamkeiten

Beide Parteien wollen ausloten, ob es fürs gemeinsame Regieren reicht. Differenzen sind vor allem beim Klimaschutz und der Steuerpolitik auszumachen. Aber es gibt auch Übereinstimmungen. Ein Überblick.

Klimaschutz

Grüne: Die CO2-Emissionen sollen bis 2030 um 70 Prozent verringert werden statt um 65 Prozent, wie es im Klimaschutzgesetz der Koalition vorgeschrieben ist. Der CO2-Preis soll bis 2023 auf 60 Euro steigen, fünf Euro mehr als bisher für 2025 vorgesehen. Die EEG-Umlage soll sinken und alle Bürger sollen ein Energiegeld erhalten.

Den Kohleausstieg wollen die Grünen bis spätestens 2030 umsetzen, 2035 soll Strom zu hundert Prozent erneuerbar erzeugt werden. Auf Autobahnen soll ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde gelten, ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.

FDP: Die FDP will ein "striktes CO2-Limit" für Deutschland festlegen - dafür soll der EU-Emissionshandel auf alle Sektoren ausgeweitet werden. Vor allem technologische Innovationen sollen den Klimaschutz voranbringen - auch das sogenannte Geo-Engineering, also direkte Eingriffe ins Klimasystem der Erde.

Per jährlich pauschal gezahlter "Klimadividende" sollen die Bürgerinnen und Bürger Staatseinnahmen aus der CO2-Bepreisung zurückerhalten. Die Partei lehnt Tempolimits ab, stattdessen sollen synthetische Kraftstoffe die Klimabelastung reduzieren.

Steuern

Grüne: Durch einen höheren Grundfreibetrag sollen kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlastet werden. Der Spitzensteuersatz soll "moderat" steigen. Auch hohe Vermögen sollen stärker besteuert werden, vorzugsweise per Vermögensteuer.

FDP: Die Liberalen lehnen jegliche Steuererhöhung ab und wollen das Einkommensteuersystem so umbauen, dass der heute ab rund 57.000 Euro Jahreseinkommen geltende Spitzensteuersatz erst ab 90.000 Euro greift. Eine Vermögensabgabe oder Vermögenssteuer lehnt die Partei ab.

Schuldenbremse

Grüne: Die Schuldenbremse soll durch eine "Investitionsregel" ergänzt werden, die eine Erneuerung der Infrastruktur ermöglichen soll.

FDP: Jegliche Aufweichung der im Grundgesetz festgeschriebenen Regel lehnt die Partei ab.

Arbeit

Grüne: Der Mindestlohn soll auf zwölf Euro erhöht werden.

FDP: Die Liberalen teilen diese Forderung nicht.

Hartz IV

Grüne: Das bisherige Hartz-IV-System soll durch eine Garantiesicherung ersetzt werden, die auf Sanktionen verzichtet. Als Sofortmaßnahme soll der Hartz-IV-Satz um mindestens 50 Euro steigen.

FDP: Das FDP-Modell des "Liberalen Bürgergeldes" sieht vor, Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II oder das Wohngeld zu einer Leistung zusammenfassen.

Beide Parteien wollen weg von Hartz IV, ihre Konzepte sind aber recht unterschiedlich. Gemeinsamkeit ist, dass beide Parteien die Anrechnung von selbst verdientem Geld attraktiver gestalten wollen.

Rente

Grüne: Das Rentenniveau soll langfristig auf mindestens 48 Prozent festgeschrieben werden. Bei der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge plädiert die Partei dafür, die Riester-Rente durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds zu ersetzen.

FDP: Die Partei tritt für eine Rente nach dem "Baukastenprinzip" ein, zu der als zusätzliche private Säule eine gesetzliche Aktienrente gehören soll.

Die Erwerbsminderungsrente wollen beide Parteien stärken.

Recht

Wenn es um die Freiheiten der Bürger geht - etwa Fragen der staatlichen Überwachung - ziehen Grüne und FDP an einem Strang. Dasselbe gilt auch für das Wahlrecht. Hier haben sie sich schon in der vergangenen Legislaturperiode für eine Neufassung eingesetzt, mit der eine weitere Aufblähung des Bundestages verhindert werden soll.

(Quelle: dpa)

Grüne Jugend gegen Jamaika-Koalition

Erst später wollen FDP und Grüne mit der Partei eines möglichen Kanzlers sprechen, also mit SPD oder Union. Zurzeit ist eine Ampel-Koalition unter Führung der SPD am wahrscheinlichsten, aber auch ein Jamaika-Bündnis unter Unionsführung nicht ausgeschlossen.
Die Grüne Jugend hat die Parteispitze unterdessen zu einer klaren Absage an eine Koalition mit der Union aufgefordert.

Kurz: Machen bei Jamaika nicht mit

"Eine Jamaika-Koalition mit der Union würde die Grüne Jugend nicht mitmachen", sagte der Bundessprecher der Jugendorganisation, Georg Kurz, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Und weiter:
Wir können auf keinen Fall die Partei, die explizit abgewählt wurde, zurück ins Kanzleramt hieven.
Georg Kurz, Grüne Jugend

Bedingungen für eine Ampel-Koalition

Die Union habe 16 Jahre lang bewiesen, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, etwas zum Besseren zu wenden, so der 27-Jährige. Am Ende sei allen Grünen klar, welche Parteien bei der Bundestagswahl dazugewonnen hätten und mit wem es die meisten Schnittmengen gebe, "nämlich mit der SPD und nicht mit der Union".
Auch für eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP stellte Kurz Bedingungen: "Wir wurden für konsequenten Klimaschutz und die gerechte Verteilung von Reichtum gewählt, für eine Verbesserung der Lebensrealität für eine Mehrheit der Bevölkerung und nicht für wenige Reiche. Das müssen wir durchsetzen, sonst können wir nicht dabei sein."
Quelle: dpa, Reuters, AFP

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