: Was wurde aus Lauterbachs 1.000er-Inzidenz?

von Dominik Rzepka
15.11.2022 | 16:33 Uhr
Vor sechs Wochen warnte der Gesundheitsminister vor einer 1.000er-Corona-Inzidenz. Jetzt liegt sie bei rund 200. Lauterbach irrte, sagt Virologe Schmidt-Chanasit - und übt Kritik.
Karl Lauterbach
Am 30. September warnt Karl Lauterbach mal wieder. "Wir befinden uns ganz klar am Beginn einer Herbst- und Winterwelle", sagt der Gesundheitsminister auf der Bundespressekonferenz. Das Robert-Koch-Institut meldet an diesem Tag rund 96.000 Neuinfektionen und eine Inzidenz von 466. "In nicht allzu ferner Zukunft" werde sie aber bei 1.000 liegen.
"Das ist einfach gut abzuleiten auf der Grundlage dessen, was sich abspielt in anderen Ländern und einem R-Wert von 1,4, den wir heute ausweisen", so der Minister. Jeder könne selbst ausrechnen, wann die Inzidenz vierstellig werde. Die Welle, die sich da gerade aufbaue, müsse bekämpft werden. Und weiter:
Sie wird nicht so schnell von alleine enden.
Karl Lauterbach am 30. September über die Herbstwelle

Aus dem Archiv: Am 30. September forderte Gesundheitsminister Lauterbach unter anderem die Wiedereinführung der Maskenpflicht in Innenräumen.

30.09.2022 | 01:58 min

Virologe widerspricht Lauterbach

Doch das stimmt nicht, Stand heute. Sechs Wochen später hat sich die Inzidenz halbiert. Sie liegt bei 212, also weit entfernt von 1.000 - wenngleich die Dunkelziffer viel höher sein dürfte. Anderseits dürfte sich Lauterbach bei seiner 1000er-Aussage kaum auf die Dunkelziffer bezogen haben - sondern auf die offiziellen RKI-Zahlen. Und die Unschärfen dieser Angaben dürften dem Gesundheitsminister klar sein.
Den R-Wert gibt das Robert Koch-Institut am 15. November mit 0,82 an. Das bedeutet: Weil diese Zahl unter 1 liegt, deutet der Trend im Moment nicht nach oben.
Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit kritisiert Lauterbachs Aussagen aus dem September, wirft dem Minister eine "Angstkommunikation" vor. Wissenschaftlich sei sie falsch, schließlich ende jede Welle von alleine. "Egal, ob man Maßnahmen hat oder keine." Irgendwann finde das Virus nämlich "kein Futter" mehr, also neue Menschen, die es infizieren könne.
Insofern ist die Aussage von Herrn Lauterbach falsch.
Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe
ZDFheute Infografik
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Lauterbach forderte Stichproben in Restaurants

Es ist nicht die einzige alte Aussage Lauterbachs, die heute aus der Zeit gefallen wirkt. Am 14. August kündigt er eine neue Funktion der Corona-Warn-App an. Sie werde bald grüne Impfzertifikate anzeigen, drei Monate nach einer Booster-Impfung. Kellner in Restaurants oder Trainerinnen in Fitnessstudios würden die grünen Zertifikate dann im Herbst kontrollieren.
"Wenn man Stichproben machen will, kann man sagen: Können Sie mir gerade noch mal ihren grünen Nachweis zeigen", so Lauterbach. Doch die Realität in Deutschland ist eine ganz andere. Erste Länder wollen die Isolationspflicht kippen. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert ein Ende der Maskenpflicht in Bus und Bahn.

Schmidt-Chanasit warnt vor "chinesischem Weg"

Virologe Schmidt-Chanasit hält das Ende von Isolationspflicht und Maskenpflicht für "medizinisch vertretbar". In Deutschland gebe es eine große Grundimmunität, unter anderem aufgrund der Impfungen. Das Festhalten Lauterbachs an der Isolationspflicht sei gleichbedeutend mit dem Versuch, überhaupt keine Infektionen zuzulassen. Er kritisiert:
Wenn das sein Ziel ist, dann ist der Weg eben der chinesische Weg. Das muss man so klar sagen, weil das vielen nicht klar ist.
Virologe Schmidt Chanasit über Karl Lauterbach
"Man kann in dem Rechtsstaat, in dem wir leben, dieses Ziel nur erreichen, indem sich jeder zu Hause einsperrt oder eingesperrt wird. Anders kann man die Infektionen nicht signifikant reduzieren", sagt er.
Karl Lauterbach nennt ein Ende der Isolationspflicht hingegen verantwortungslos. Einen Fehler bei seiner 1.000er-Warnung räumt er nicht ein. Verantwortlich für den flacheren Verlauf der Herbstwelle sei unter anderem das warme Wetter im Oktober. Jetzt aber kämen Weihnachtsmärkte und Fußball-WM. "Wir müssen damit rechnen, dass wir vor Weihnachten wieder hohe Fallzahlen haben - mit den bekannten Folgen", warnt er.

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