: Wo ist General "Armageddon"? Kreml wiegelt ab

29.06.2023 | 16:52 Uhr
Nach dem Wagner-Aufstand räumt Präsident Putin wohl intern auf: Vize-Generalstabschef Surowikin soll festgenommen worden sein, auch Armeechef Gerassimow scheint verschwunden.
Tief gestürzt - wo ist Top-General Sergej Surowikin? Angeblich hat ihn der Geheimdienst FSB.Quelle: dpa
Kaum war der Aufstand der Wagner-Söldner gegen Russlands Militärführung abgeblasen, meldete sich Präsident Wladimir Putin zu Wort, um seine Autorität zu demonstrieren. Verteidigungsminister Sergej Schoigu war in Fernsehberichten zu sehen.
Wer nicht in der Öffentlichkeit auftauchte, waren zwei von Russlands Top-Generälen:
  • Waleri Gerassimow, der Generalstabschef der Streitkräfte und
  • Sergej Surowikin, Gerassimows Stellvertreter als Kommandeur des Angriffskrieges in der Ukraine. Surowikin wird in der Presse wegen seines martialischen Vorgehens im Syrien-Krieg "General Armageddon" genannt.

Gerassimow seit Samstag nicht mehr gesehen

Nun brodelt die Gerüchteküche, ob sie womöglich vorab von den Plänen des Söldner-Chefs Jewgeni Prigoschin wussten und was mit ihnen geschehen ist. Unbestätigten Berichten zufolge soll mindestens eine Person festgenommen worden sein.

Seit 20 Jahren inszeniert sich Wladimir Putin als Machthaber der Stärke und Kontrolle. Nach dem Aufstand der Wagner-Söldner könnte sich das Gleichgewicht verändern.

25.06.2023 | 02:30 min
Seit dem Abbruch der Rebellion am Samstag ist Gerassimow weder in der Öffentlichkeit noch im Staatsfernsehen aufgetreten. Surowikin wurde ebenfalls nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen.

Kreml wiegelt ab: "Gerüchte"

Russlands Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow sprach von Gerüchten. Eine Stellungnahme zum Schicksal Surowikins lehnte er ab und verwies an das Verteidigungsministerium.
Ausweichend antwortete Peskow auch auf die Frage, ob Präsident Wladimir Putin Surowikin noch immer vertraue. "Er ist der Oberbefehlshaber und arbeitet mit dem Verteidigungsminister und dem Generalstabschef zusammen." Fragen zu strukturellen Einheiten innerhalb des Verteidigungsministeriums sollten an dieses gerichtet werden.

Berichte über Festnahme von General "Armageddon" Surowikin

Surowikin wurde seit Samstag nicht mehr in die Öffentlichkeit gesehen. An diesem Tag hatte er in einem Video an Prigoschin appelliert, seine Rebellion zu beenden. Er wirkte erschöpft, und es war unklar, ob er unter Zwang sprach. Am Mittwochabend gab es unbestätigte Berichte russischer Medien und Blogger, Surowikin werde nach seiner Festnahme im Moskauer Internierungslager Lefortowo festgehalten.
Der Herrscher des Kreml im Porträt:

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Die russischsprachige Ausgabe der "Moscow Times" und ein Militärblogger berichteten über Surowikins Festnahme. Andere Militärkorrespondenten sagten, er und andere ranghohe Offiziere würden vom Inlandsgeheimdienst FSB befragt, um ihre Loyalität zu überprüfen. Das Verteidigungsministerium schweigt dazu.

Russischer Blogger berichtet von "Säuberungen"

Bei Rybar, einem einflussreichen Telegram-Kanal hieß es, eine politische "Säuberung" sei im Gange. Danach versuchten die Behörden, diejenigen Militärangehörigen auszusondern, die angeblich "einen Mangel an Entschlossenheit" bei der Niederschlagung der Rebellion gezeigt hätten.
Berichten zufolge hätten Teile der Streitkräfte wenig unternommen, um die Söldner aufzuhalten.
Sollte sich dies bestätigen, könnte das die russische Kriegsführung in der Ukraine verändern und zu Unruhen in den eigenen Reihen führen - und das, während Russland versucht, eine ukrainische Gegenoffensive zu vereiteln.
Kann Putin sich an der Macht halten:

Nachdem die Wagner-Söldner Richtung Moskau marschiert waren, zeigt sich Putin erstmals in einer Videobotschaft. Die russische Führung scheint um Normalität bemüht zu sein.

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Auch für die Machtverhältnisse innerhalb der Sicherheitskräfte hätte das Konsequenzen: Wer als loyal gilt, kann seine Position festigen oder gar verbessern.

Schoigu könnte in seiner Position gefestigt sein

Das könnte auch für Sergej Schoigu gelten, der seit 2012 Verteidigungsminister ist und den der Söldner-Chef Prigoschin samt seinem Generalstabschef Gerassimow wegen Inkompetenz stürzen wollte. Nun könnte der langjährige Vertraute Putins tatsächlich fester im Sattel sitzen als zuvor.
Ein weiterer Nutznießer könnte Viktor Solotow sein, Chef der Nationalgarde und einst Putins Leibwächter. Er hat öffentlich erklärt, seine Männer seien bereit, bis zum Tod Moskau gegen die anrückenden Wagner-Söldner zu verteidigen. Er hat von der Möglichkeit gesprochen, nach der Meuterei schwere Waffen und Panzer für seine Streitkräfte zu beschaffen.
Die leicht bewaffnete Nationalgarde ist die Truppe des Innenministeriums und direkt Putin unterstellt.
Das sind Putins Vertraute - noch:

Surowikin war offenbar über Söldner-Rebellion informiert

Der "New York Times" zufolge soll Surowikin vorab über die Söldner-Rebellion informiert gewesen sein. Unter Berufung auf US-Regierungskreise berichtete das Blatt, die Regierung in Washington versuche herauszufinden, ob Surowikin Prigoschin bei der Planung der Rebellion geholfen habe. Zudem gebe es laut US-Geheimdienstinformationen Anzeichen dafür, dass auch andere Generäle den Söldner-Chef unterstützt haben könnten.
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Quelle: von Andrew Osborn, Reuters

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