: Wie Kinder bei Stress im Alltag Ruhe finden

von Nicole Clouth
06.03.2024 | 08:22 Uhr
Schule, Hausaufgaben, Hobbies - Kinder haben heutzutage einen straffen Zeitplan. Oft können sie deshalb nicht mehr vollkommen entspannen. Wie man Abhilfe schaffen kann.

Elena und Melina haben anstrengende Tage. Abends kommen die achtjährigen Zwillinge nur schwer zur Ruhe Mit ihren Eltern testen sie drei Entspannungsmethoden.

06.03.2024 | 05:08 min
Nicht selten gleicht der Tagesablauf von Grundschülern dem Terminkalender von Erwachsenen. Nach der Schule Hausaufgaben machen, für Klassenarbeiten lernen und dann weiter zum Sport oder Musikunterricht. Oft bleibt keine Zeit für Entspannung.

Fehlende Ruhe kann Beschwerden auslösen

Doch auch Kinder müssen genau wie Erwachsene die Reize des Alltags, Erlebtes und Erlerntes verarbeiten. Kommen sie nicht zur Ruhe, kann das Folgen haben. Viele leiden unter stressbedingten Beschwerden wie Konzentrations- und Schlafstörungen, Kopf- und Bauchschmerzen oder innerer Unruhe und Angespanntheit.

Kopfschmerzen sind ein weit verbreitetes Phänomen - zunehmend auch bei Kindern und Jugendlichen. Viele Schüler verpassen dadurch regelmäßig den Unterricht. In vielen Fällen jedoch lassen sich die Ursachen beheben.

12.09.2022 | 05:29 min
Verschiedene Methoden wie Yoga, Entspannungsapps oder Achtsamkeitstagebücher sollen auch Kindern helfen zu entspannen.
Wichtig für die Entspannung ist, dass das Kind vorher nicht total gestresst ist.
Dr. Heidi Igl, Dortmunder Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Heidi Igl, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, empfiehlt vor einer Entspannungsübung zum Beispiel mit dem Kind erstmal einen Spaziergang machen. Oder sich nach der Schule bei einem Tee und Obst an den Tisch zu setzen und über den Schultag zu reden. Eltern könnten so schon eine kleine Ruheinsel schaffen.

Warum Kinder schlecht zur Ruhe kommen

Kinder sind heute wesentlich gestresster als noch vor 20 oder 30 Jahren. Laut Expertin liegt dies zu einem großen Teil daran, dass Kinder wesentlich mehr und länger in Fremdbetreuung sind als früher. Sie hätten deshalb weniger Zeit für freies Spielen. Hinzu kommt, dass Kinder in ihrer Freizeit auch weniger draußen spielen, sondern sich stattdessen vor allem mit Konsole, Computer und Smartphone beschäftigen.
Das bedeutet nie Entspannung, sondern immer eine zusätzliche Aktivierung des gesamten Körpers.
Dr. Heidi Igl, Dortmunder Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Für Grundschulkinder sollten deshalb Medienzeiten innerhalb der Familie festgelegt und eingehalten werden. Zudem sollten Kinder im Grundschulalter mit Smartphone und Co. nicht allein gelassen werden. Eltern sollten die Kontrolle darüber behalten, was sich Kinder anschauen oder welches Spiel sie spielen. Auch in Kindergarten und Grundschule sollte Kindern von Erziehern und Lehrern immer Phasen zur Entspannung angeboten werden.

Tipps, wie Kinder entspannen können

Kinderyoga

Eine gute Methode zur Entspannung für den Nachwuchs ist Kinderyoga. "Ich halte sie für sehr geeignet, weil sowohl Geist als auch Körper in Einklang gebracht werden", sagt Heidi Igl. Durch die Übungen, auch Asanas genannt, verlangsamt sich der Herzschlag, der Blutdruck sinkt, die Atmung wird langsamer – das Kind kommt zur Ruhe. Die Übungen werden von Übungsleitern häufig in Form von Abenteuergeschichten vermittelt. Es ist laut Igl sinnvoll, wenn Eltern mitmachten und Yoga regelmäßig zu Hause mit den Kindern praktizierten. Kinderyogakurse gibt es in Sportstudios, man findet aber auch Anleitungen im Internet und in Büchern.

Kinderachtsamkeitstagebücher

In ein Achtsamkeitstagebuch können Kinder zu jeder Zeit eintragen, was sie am Tag erlebt und wie sie sich gefühlt haben. Es gibt auch Tagebücher, die Gefühle anhand von Figuren darstellen. So können Kinder Emotionen wie Wut, Freude oder andere Empfindungen leichter benennen. Beim Führen eines Achtsamkeitstagebuchs sollten Eltern unterstützen. "Kinder können so etwas nicht alleine bewältigen, sie brauchen die Anleitung der Eltern", sagt Heidi Igl. Dann sei das eine tolle Sache, so die Expertin. Das Ausfüllen des Achtsamkeitstagebuchs erfordert Geduld und Sorgfalt beim Schreiben. Wenn Eltern dabei helfen, erzählen Kinder mehr von sich und können Erlebtes besser verarbeiten.

Kinderentspannungsapps

Bei vielen dieser Apps können sich die Kinder vorgelesene Traumreisen anhören, die mit langsamer Musik unterlegt sind. Die Geschichten können nach Altersstufe ausgewählt werden. Das Wichtigste: Es gibt keine bewegten Bilder, die Kinder hören nur zu, haben keine visuelle Ablenkung. "Das sei auf jeden Fall sinnvoller, als vor dem Fernseher zu sitzen", sagt die Expertin. Die Geschichten regen die Fantasie der Kinder an, das Zuhören habe einen beruhigenden Effekt.

Vorlesen - ein bewährter Klassiker

Schon seit Generationen wird in vielen Familien vor dem Schlafengehen vorgelesen. Eine bewährte Methode auch in der heutigen Zeit? Die Expertin kann Vorlesen nur empfehlen. Es sei schon wegen der sozialen Komponente wichtig, habe einen Kuscheleffekt und man verbringe Zeit miteinander.
Eltern sollten fürs Vorlesen ein altersgerechtes Buch auswählen. Sie können sich beim Vorlesen auch mit dem Kind abwechseln. Dafür sollten Kinder bereits gut lesen können, sonst ist es vor dem Schlafen zu anstrengend.

Hobbies - weniger ist mehr

Fußball, Ballett, Reiten, ein Instrument spielen - ein Hobby ist sinnvoll, beschränkt aber auch die freie Zeit. Mit drei oder mehr Hobbies in der Woche kann bei Grundschülern der Spaß schnell in Stress umschlagen.
Signalisiert ein Kind, dass es nicht schon wieder zum Sport will, sondern zu Hause sein möchte, sollten Eltern ernsthaft darüber nachdenken, ob man nicht ein Hobby streicht.
Dr. Heidi Igl, Dortmunder Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Denn: Sind Kinder fünf Tage die Woche nach der Schule auch noch mit Hobbyterminen völlig verplant, sollten alle zusammen entscheiden, worauf am ehesten verzichtet werden kann. Es gilt der Grundsatz: Weniger ist mehr.
"Kinder müssen Entspannung lernen", weiß Fachärztin Heidi Igl. Dabei können die genannten Möglichkeiten helfen. Langfristig werden sonst aus unentspannten Kindern unentspannte Erwachsene. Und spätestens dann kämen körperliche Probleme wie psychosomatische Beschwerden bis hin zur Entwicklung einer Depression oder Angststörung.

Aktuelle Krisen belasten manche Kinder und Jugendliche so stark, dass sie psychisch krank werden. Helfen können langfristige Therapien, doch es fehlt an Plätzen.

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