: Mega-Windparks in der Nordsee sollen kommen

von Nils Metzger
21.01.2023 | 19:22 Uhr
Bis 2030 will die Bundesregierung den Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostsee massiv vorantreiben. Jetzt wurde der Masterplan dafür veröffentlicht. Diese Gebiete sind betroffen.
Windkraftanlagen auf Tausenden Quadratkilometern: Der Masterplan für den Ausbau von Windparks in Nord- und Ostsee wurde vorgestellt. (Archivbild)Quelle: dpa
Über 1.500 Windräder drehen sich aktuell in der deutschen Nord- und Ostsee, um Strom zu produzieren. Und bald sollen deutlich mehr werden.
Am Freitag veröffentlichte das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) den Flächenentwicklungsplan 2023. Dieser Plan soll Grundlage sein, um die derzeit installierte Offshore-Leistung von 8,1 Gigawatt bis 2030 auf 30 Gigawatt zu steigern. Beinahe eine Vervierfachung. Auch zur Wasserstoff-Gewinnung sind neue Gebiete ausgewiesen.
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Insgesamt können auf den neuen Flächen in Nord- und Ostsee bis zu 36,5 Gigawatt an neuer Leistung installiert werden. Das gesetzlich festgelegte Ausbauziel von 40 Gigawatt Offshore-Windkraft bis 2035 soll damit deutlich übertroffen werden, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit.

Wo sollen die neuen Windparks entstehen?

Schwerpunkt der geplanten Vorhaben ist die Nordsee. Dort wird nun eine zusätzliche Fläche von mehr als 3.500 Quadratkilometern für Offshore-Windkraft ausgewiesen. In der Ostsee kommen rund 330 Quadratkilometer hinzu. Zusammen ist das etwa die 1,5-fache Fläche des Saarlands.
Geplante Windparks in Nord- und Ostsee: In Orange die neu ausgeschriebenen Flächen, in Beige bereits vorhandene Flächen, in Grün Naturschutzgebiete.Quelle: bmwk.de
Die neuen Gebiete liegen nicht in unmittelbarer Küstennähe. Lange Stromtrassen mit Unterseekabeln werden die Anlagen an das Stromnetz anschließen. Der deutsche Offshore-Ausbau war zuletzt kaum vorangekommen, zwischen Mitte 2020 und Mitte 2022 ging fast keine neue Anlage ans Netz.
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Darf einfach so im Meer gebaut werden?

Die Standorte der Windparks sind bewusst gewählt und liegen vollständig innerhalb der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Deutschlands. Gemäß Völkerrecht umfasst das Gebiete mit bis zu 200 Seemeilen (rund 370 Kilometer) vor der Küste.
Anders als auf Hoher See dürfen Staaten in ihrer AWZ exklusiv zum Beispiel Bodenschätze ausbeuten. Die deutsche AWZ in Nord- und Ostsee umfasst rund 33.000 Quadratkilometer. Wie an Land auch, gibt es für diese Gebiete staatlich festgelegte Nutzungspläne, die vorgeben, was wo gemacht und gebaut werden darf.

Der Cuxhavener Hafen platzt aus allen Nähten. Hier stapeln sich die Bauteile für Offshore-Windparks. Um die Windkraftziele zu erreichen, muss der Hafen ausgebaut werden. Das allein reicht aber nicht. Es bedarf mehr Standorte.

13.12.2022 | 02:04 min

Was ist mit dem Umweltschutz?

Große Teile der deutschen AWZ in Nord- und Ostsee sind Naturschutzgebiet. Teils grenzen die jetzt ausgewiesenen Windpark-Flächen an solche Schutzgebiete, etwa das Sylter Außenriff - Östliche Deutsche Bucht. Im Bericht des Bundesamts werden daher eine ganze Reihe an Maßnahmen aufgeführt, wie der ökologische Schaden von Bau und Betrieb der Anlagen möglichst gering bleiben soll.
Eine erhebliche Beeinträchtigung von gesetzlich geschützten Biotopen (…) soll so weit wie möglich vermieden werden.
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Das erste Fazit von Umweltschützern zum Bericht ist gemischt. Anne Böhnke-Henrichs vom Nabu sagt ZDFheute, dass zwar viele wichtige Punkte angesprochen wurden, Nachweispflichten etwa bei Gefahren für Vögel durch Windräder aber zu hoch angesetzt seien. "Die Schutzmaßnahmen werden so komplett ausgehöhlt", so Böhnke-Henrichs.

Bis 2030 will Rheinland-Pfalz komplett auf regenerative Energien umsteigen. Dafür müssten jährlich rund 100 Windräder gebaut werden. 2022 waren es allerdings gerade mal ein gutes Dutzend.

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Gefreut habe sie hingegen, dass die jetzt veröffentlichte Version des Entwicklungsplans auf kritische Anmerkungen von Naturschützern zum Schutz der Seetaucher-Population nahe eines geplanten Nordsee-Windparks eingegangen sei. "Es ist wichtig, dass die Planungen auch in Zukunft an neue Erkenntnisse angepasst werden können."

EU-Notfallverordnung soll Genehmigungen beschleunigen

Kritisch sehen Umweltschützer auch eine ab Januar geltende Maßnahme der EU, die beim Windkraft-Ausbau in Nord- und Ostsee greifen könnte. Um den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranzutreiben, sollen Genehmigungsverfahren vereinfacht werden.
In den kommenden 18 Monaten müssen etwa in bestimmten Ausbaugebieten nur noch reduzierte Prüfungen zur Umweltverträglichkeit durchgeführt werden. Es können etwa alte, bereits vorhandene Daten zu Tierpopulationen herangezogen werden, um neue Projekte zu genehmigen.
Kim Detloff, Leiter Meeresschutz beim Nabu, kritisiert das gegenüber ZDFheute: "Mit der Notfallverordnung erleben wir eine Abschaffung des flächenbezogenen Naturschutzes. Artenschutz und Klimaschutz gehören zusammen. Man darf nicht das eine für das andere aufgeben."

Wie geht es jetzt weiter?

Dass die Gebiete für Windkraft ausgewiesen wurden, ist ein erster Schritt. Nun müssen Betreiber gefunden werden, die dort tatsächlich bauen möchten. Allzu schwer dürfte das nicht werden - die Offshore-Branche reagierte positiv auf die Veröffentlichung des Entwicklungsplans.
Ein Meilenstein für die Ausbauziele 2030.
Bundesverband Windparkbetreiber Offshore
Für 2023 sind Ausschreibungsverfahren über insgesamt 8,8 Gigawatt zu installierende Leistung geplant. Das erste neue Ausbaugebiet, O-1.3 mit 300 Megawatt Leistung, soll 2026 via Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern ans Netz gehen. Hier erfolgte die Ausschreibung bereits 2021.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Freitag: "Wir schaffen hier innerhalb kürzester Zeit verlässliche Rahmenbedingungen für ein Hochfahren aller erforderlichen Kapazitäten. Nun geht es an die Umsetzung!"

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