FAQ

: Wie Stromabschaltungen ablaufen würden

von Oliver Klein
10.12.2022 | 20:18 Uhr
Wie wahrscheinlich sind Stromabschaltungen diesen Winter? Wie würde ein Brownout ablaufen, was wären die Risiken? ZDFheute hat Netzbetreiber, Bundesregierung und Experten befragt.
Wenig Sonne und wenig Wind könnten die Energie knapp werden lassen. Mit Stromabschaltungen rechnen Experten aber trotzdem nicht.Quelle: dpa
Immer wieder wird darüber spekuliert, ob es aufgrund der Energiekrise in Deutschland in diesem Winter zu gezielten Stromabschaltungen kommt - sogenannten Brownouts. Im Gegensatz zum Blackout ist ein Brownout eine bewusst herbeigeführter Stromausfall: Verbraucher werden von den Netzbetreibern zeitweise vom Stromnetz genommen, um Strom zu sparen und das Netz zu stabilisieren. Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario, wie würde das ablaufen, wo liegen die Risiken eines Brownouts?

Wie wahrscheinlich ist ein Brownout?

Alle von ZDFheute angefragten Experten und Institutionen rechnen nicht damit, dass Brownouts in Deutschland in diesem Winter nötig werden. Die Bundesnetzagentur hält die "Wahrscheinlichkeit für gering", das Bundeswirtschaftsministerium verweist darauf, dass Deutschland eins der "sichersten und zuverlässigsten Stromsysteme" weltweit habe.
Die Netzbetreiber bezeichnen die Situation auf den Energiemärkten zwar als "angespannt", verweisen aber auf ihre Sonderanalysen und Entscheidungen der Bundesregierung, die eine Reihe von Maßnahmen zur Erhöhung der Stromerzeugungs- und Transportkapazität vorsehen. Tobias Federico, Chef der Energieberatungsagentur "Energy Brainpool", sagt gegenüber ZDFheute:
Ich halte es für recht unwahrscheinlich, dass es zu Brownouts kommen wird in diesem Winter, wobei die Wahrscheinlichkeit gegenüber den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.
Energieexperte Tobias Federico

Deutschland will aussteigen: keine Kohle, kein Gas, keine Atomkraftwerke. Stattdessen wollen wir voll auf erneuerbare Energien umsteigen. Droht ein großer Strom-Blackout?

01.08.2022 | 43:30 min

Welche Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Stromabschaltungen?

Zwei besonders entscheidende Faktoren werden immer wieder genannt: das Wetter und die Verfügbarkeit der Kernkraftwerke in Frankreich. Die Situation im Nachbarland hat sich laut Netzbetreiber Amprion "verschärft". Im Februar könnte es besonders kritisch werden, analysierten die Netzbetreiber in ihrem Stresstest - wenn keine Sonne scheint, kein Wind weht, der Bedarf sehr hoch ist.
Auch Energieexperte Federico erklärt: Brownouts könnten dann notwendig werden, wenn es in Frankreich eine Kältewelle gebe und gleichzeitig weiterhin zu wenig französische Kernkraftwerke zur Verfügung stünden. Möglich sei ein solches Szenario auch, wenn der Winter in Deutschland außergewöhnlich kalt werde und es dann im Februar mit sehr leeren Gasspeichern noch mal eine Kältewelle gebe: "Dann gilt es, mit Brownouts kontrolliert über den Rest-Winter zu kommen", so Federico.
ZDFheute Infografik
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Wie würde ein Brownout ablaufen?

Es würde rollierende Abschaltungen geben: "Dabei werden einzelne Regionen, so genannte Abschaltgruppen, nacheinander für begrenzte Zeit vom Netz genommen", erklärt Christoph Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung von Netze BW, dem größten Verteilnetzbetreiber in Baden-Württemberg. Diese Abschaltungen seien für jeweils 90 Minuten angesetzt, ein Wert, den auch andere Netzbetreiber und Energieversorger immer wieder nennen. Danach würde die nächste Abschaltgruppe vom Netz genommen.
Klar ist: In einer Region werden niemals alle Verbraucher auf einmal abgeschaltet, sondern immer nur einer relativ kleiner Teil. "Der Umfang des abgeschalteten Verbrauchs entspricht dabei der Strommenge, die im Netz fehlt", erklärt Müller. So werde die Bilanz zwischen Erzeugung und Verbrauch ausgeglichen und das Netz stabilisiert. Die Netzbetreiber Amprion und 50Hertz weisen auf das Gebot der "Diskriminierungsfreiheit" hin. Heißt: Es kann alle Verbraucher treffen, sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen. Keiner wird geschont, aber auch niemand benachteiligt.

Wird der Stromausfall vorher angekündigt?

Sehr wahrscheinlich wird es mindestens einen Tag vorher klar sein, wenn es in einer bestimmten Region zu einem Brownout kommen wird - denn die Planungen würden am Vortag um die Mittagszeit für den Folgetag gemacht, erklärt Energieexperte Federico. Viele Faktoren, die einen Brownout erfordern - das Wetter, der voraussichtliche Strombedarf, die verfügbaren Kraftwerke, die dadurch produzierte Strommenge - all das lasse sich vorher in etwa kalkulieren. Auch Netze BW geht von geplanten Unterbrechungen aus: "Die Ankündigungsfrist hängt (...) von der konkreten Lage ab und lässt sich nicht exakt vorhersagen", sagt Müller.
"Durch die Ankündigung vorher sollten möglichst alle zu Hause sein. Schulen und Kitas sollten nicht offen sein und Gewerbe und Industrie sollten sich entsprechend auf die Abschaltung vorbereiten", sagt Federico.

Welche Risiken bestehen bei einer Stromunterbrechnung?

Klar ist: Bei einem Stromausfall von 90 Minuten taut kein Kühlschrank ab. Doch auch mit einem geplanten, zeitlich eng begrenzten Stromausfall sind gewisse Risiken verbunden. Menschen könnten im Fahrstuhl steckenbleiben, im Verkehr sind Probleme zu erwarten: Bei den Abschaltungen könne beispielsweise keine Priorisierung für Ampel-Anlagen vorgenommen werden, heißt es von Stromnetz Hamburg.
Dann gelten die Verkehrsschilder neben jeder Ampel, aber Unfälle und Staus sind sehr wahrscheinlich.
Energieexperte Tobias Federico
Telefonieren würde, wenn überhaupt, bei einem Brownout nur eingeschränkt funktionieren. Moderne Festnetztelefone brauchen meist eine Stromversorgung, genau wie Sendemasten für die Mobilfunkabdeckung. Diese verfügen zwar über Notbatterien, die bei einem Stromausfall einspringen. Sie halten das Mobilfunknetz oft nur eine halbe Stunde am Laufen.
Gerade Industriebetrieben droht durch die Auswirkungen eines Brownouts ein hoher wirtschaftlicher Schaden: Maschinen könnten bei einem plötzlichen Stromausfall beschädigt werden, das Hochfahren der Produktion länger dauern. "Je nach Produktionsprozess sollten die Anlagen kontrolliert vorher runtergefahren werden", so Federico.

Wie wird kritische Infrastruktur geschützt?

Krankenhäuser verfügten zwar über Notstromgeneratoren - aber nicht alle Polizeistationen, Feuerwehren oder gar Bundeswehrkasernen, erklärt Federico. Bei den Netzbetreibern gebe es deshalb nicht-öffentliche Listen, in welchen Regionen man möglichst viel Strom beim Abschalten sparen könne und gleichzeitig die "geringsten Kollateralschäden" zu erwarten seien - wo also möglichst wenig kritische Infrastruktur getroffen würde. Einen Brownout müsse man zwar vermeiden, er sei nicht so einfach, wie das Licht auszuschalten. "Aber immerhin besser als ein Blackout", so Federico.
Das betont auch Müller von Netze BW: "Die kontrollierte rollierende Abschaltung ist die Alternative zum unkontrollierten Blackout. Die rollierende Abschaltung ist damit so ein bisschen wie die Notaufnahme im Krankenhaus - keiner will da hin, aber wenn man ein gebrochenes Bein hat, findet man es klasse, dass es die Notaufnahme gibt."
Was ist ein Blackout, was ist ein Brownout? Hier kurz erklärt:

Wie ist ein Blackout definiert?

Als Blackout wird ein flächendeckender Zusammenbruch des europäischen Übertragungsnetzes definiert, was es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben hat. Es könnte theoretisch dazu kommen, wenn das europäische Übertragungsnetz mit mehreren erheblichen Störungen zur gleichen Zeit konfrontiert ist - etwa durch ein massives Unwetterereignis, dass große Schäden im Netz verursacht. Experten halten diese großflächigen Stromausfälle allerdings für höchst unwahrscheinlich. Was aber theoretisch notwendig werden könnte ist ein sogenannter Brownout.

Was ist ein Brownout?

Als Brownout - oder kontrollierte Lastabschaltung -  bezeichnet man eine gezielte Abschaltung einzelner Regionen und Bereiche, um Strom zu sparen und so das Netz stabil zu halten. Auch das ist seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland noch nicht vorgekommen und gilt als letztes Mittel der Stromnetzbetreiber, wenn der Strombedarf nicht mehr vollständig gedeckt werden kann. Durch die angespannte Situation auf dem Strommarkt, die Probleme der Atomkraftwerke in Frankreich und die Versorgungunsicherheit beim Erdgas sind solche Brownouts etwas wahrscheinlicher geworden, es handelt sich nach Aussage der Netzbetreiber aber weiterhin eher um ein geringes Risiko.

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