: Abfall als Energieressource nutzen - das geht

von Christine Elsner
20.11.2022 | 16:10 Uhr
Um Deutschlands Energiezukunft zu sichern, muss neu gedacht werden. Dazu gehören auch ungewöhnliche Ansätze. Einige Abfallprodukte bieten dabei ein ungeahntes Potential.
Wärmepumpen könnten warmes Abwasser mithilfe eines Wärmetauschers weiter nutzen.Quelle: iStock/NAPA74
Surfen, Streamen, Videokonferenzen, Clouddienste - dafür laufen die Server in Rechenzentren rund um die Uhr. Gleichzeitig entwickelt sich eine enorme Wärme, die meist verpufft. Die Abwärme aber ist ein wertvolles Abfallprodukt.
Wissenschaftler des unabhängigen "Borderstep Institut für Innovationen und Nachhaltigkeit" beschäftigen sich intensiv damit. In Deutschland hatten die Rechenzentren im Jahr 2021 einen Stromverbrauch von 17 Milliarden Kilowattstunden. [Tipps zum Stromsparen im Haushalt]

Experte: Abwärme kann für Raumwärme genutzt werden

"Wenn man davon ausgeht, dass knapp die Hälfte dieser Energiemenge als Abwärme für Heizung und Warmwasser genutzt werden kann, so könnten deutschlandweit theoretisch immerhin ein bis zwei Prozent des Bedarfs an Raumwärme und Warmwasser gedeckt werden", sagt Dr. Ralph Hintemann, Senior Researcher am Borderstep Institut.
Prognosen gehen davon aus, dass der Verbrauch bis 2030 auf fast 30 Milliarden Kilowattstunden ansteigt.
So könnten die Rechenzentren in Frankfurt theoretisch im Jahr 2030 den gesamten Wärmebedarf der Privathaushalte der Stadt abdecken.
Dr. Ralph Hintemann, Ingenieur und Wirtschaftswissenschaftler

Andere Länder nutzen Abwärme schon

Die verstärkte Nutzung von Abwärme könnte zu einem wesentlichen Bestandteil der Wärmewende werden und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Erdgas oder Erdöl verringern. Doch bislang wird die Abwärme aus Rechenzentren in Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen so gut wie nicht genutzt. Ein Blick ins Ausland zeigt aber, was möglich ist.
Beispiel Schweden: Allein in Stockholm sind aktuell 30 Rechenzentren an das Fernwärmenetz angeschlossen. Der zuständige Energieversorger bietet auch Supermärkten, Einzelhandelsgeschäften und Kläranlagen die Möglichkeit, überschüssige Wärme ins Netz einzuspeisen. Dafür erhalten die Unternehmen Geld. Warme Wohnungen also Dank innovativer Nutzung eines Abfallprodukts.
Bis die nachhaltige Wärmeversorgung in Deutschland funktioniert, sind noch einige Hürden zu überwinden. "Das erfordert Anstrengungen im Bund, bei Ländern und Kommunen, bei Technikanbietern, Energieversorgern und Rechenzentren", so Ralph Hintemann.

Abwasser kann durch Wärmepumpe genutzt werden

Ein weiteres Abfallprodukt: warmes Abwasser. Es fällt täglich in großen Mengen in Haushalten an und gelangt ungenutzt in die Kanalisation. Dabei lässt sich die darin enthaltene Wärme über einen Wärmetauscher leicht zurückgewinnen und über eine Wärmepumpe weiter nutzen.

Wer weg vom Gas will, kann seine Gasheizung mit einer Wärmepumpe ersetzen. Doch es gibt kaum Handwerksbetriebe, die das können.

06.09.2022 | 07:30 min
Die sogenannte Abwasserwärmerückgewinnung birgt ein beachtliches Potential: "Es gibt Wohngebäude, die auf diese Weise 20 Prozent des Heizbedarfs decken", sagt Dr. Lamia Messari-Becker.
Abwasser- Wärmerückgewinnung ist besonders für dichte Zentren interessant. Dafür ist eine Förderung vom Staat notwendig.
Dr. Lamia Messari-Becker
Die Bauingenieurin setzt sich für technische und soziale Innovationen bei der Transformation des Bausektors ein. Zudem müssten organisatorische und juristische Hemmnisse abgebaut werden, so die Expertin.

Wenn Wasser durch den Ausguss abfließt, ist es mit vielen Schadstoffen belastet. Eine Problemflut rollt auf die Klärwerke zu.

27.07.2022 | 19:49 min

Abfallprodukte können im Bausektor wiederverwendet werden

Und schließlich trägt auch die Nutzung ausgedienter Baustoffe und Bauteile dazu bei, Rohstoffe und fossile Energieträger einzusparen. Bauteile wiederverwenden, abgebaute Betonplatten in neue Bauprojekte integrieren - Experten nennen das nachhaltige Kreislaufwirtschaft.
"Der Bausektor steht für rund 30 Prozent der CO2-Emissionen, 50 Prozent des Ressourcenverbrauchs und knapp 60 Prozent des Abfallaufkommens. Die Zukunft liegt auch in einer ressourcenbewussten Kreislaufwirtschaft, die Rohstoffe sparsam einsetzt und sie möglichst lange im Kreislauf hält", sagt Messari-Becker.
Christine Elsner arbeitet in der ZDF-Umweltredaktion.

Thema

Mehr zur Energiekrise

Aktuelle Nachrichten zur Energiekrise