: Ohne Digitalisierung keine Energiewende

von Peter Welchering
25.12.2022 | 18:04 Uhr
Die Energiewende droht zu scheitern, weil die notwendige Digitalisierung der Netze nicht voran kommt. 2023 wird ein entscheidendes Jahr.
Zahlreiche Windräder stehen auf den Hügeln in Rheinland-Pfalz und sollen die Energiewende voranbringen.Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
Mit Digitalisierungsprojekten für die Energiewende hat sich der Bundestagsausschuss für Digitales im Jahr 2022 so oft beschäftigt wie noch nie zuvor.
Die Ergebnisse waren wenig befriedigend. "Ohne digitale Technologien erreichen wir unsere Klima- und Nachhaltigkeitsziele nicht", warnte etwa Niklas Meyer-Breitkreutz vom Branchenverband Bitkom vor wenigen Wochen auf einer Anhörung des Bundestages zum Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Große Energieversorger blockieren Energiewende

Eines haben die Debatten über die Energiewende deutlich gezeigt: An ganz wichtige Digitalprojekte in diesem Bereich trauen sich viele Beteiligte einfach nicht heran. Energieversorger fürchten, dass sie durch die Digitalisierung ihre jetzt ja durchaus noch vorhandene beherrschende Stellung einbüßen werden.
"Wir haben eine hierarchische Struktur in der Energieverteilung, die im wesentlichen immer noch top down betrieben wird", stellt Dirk Kaisers vom Energieausrüster Eaton fest. Und in diesem hierarchischen Netz haben eben die großen Energieerzeuger das Sagen.

Kleine Netzbetreiber sind überfordert

"Die Energiewende findet aber bei den Verteilnetzbetreibern statt, also eine Stufe unter den großen Energiekonzernen, mahnt Kaisers. Dort müsse ein flexibles und dezentrales Energiemanagement ansetzen. "Dafür brauchen wir aber regulatorische Entscheidungen."
Dezentrales Energiemanagement könnte viel bewirken. 37,5 Millionen Treibhausgase können jährlich durch intelligente Steuerung des Energieverbrauchs eingespart werden. Durch die Flexibilität auf der Nachfrageseite lassen sich jährlich 15,5 Terawattstunden Strom einsparen.
Auch der Verbrauch von Gas, Kohle und Öl lässt sich massiv reduzieren. Denn mit intelligenter Stromverteilung werden Reservekraftwerke zur Deckung des Spitzenbedarfs oder zum Ausgleich für geringere Leistungen bei erneuerbaren Energien, wenn eben der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, weitgehend obsolet.

Flexibles intelligentes Energiemanagement fürs Klima

Das hat eine Studie des Konsortiums Smart Energy Europe in Kooperation mit dem Energieausrüster Eaton, dem Energieoptimierer Voltalis, den Energieversorgern Électricité de France und Enel X ergeben. Die Studie berechnet, welche Einsparungen möglich werden, wenn Haushalte und Unternehmen ihren Energiebedarf aktiver steuern und sich damit auch von den Energieversorgung ein Stück weit unabhängiger machen.
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Dirk Kaisers hat da ein einfaches Beispiel:
Wenn jemand abends seit E-Auto laden will, dann muss er ja nicht unbedingt um 18:00 Uhr damit anfangen, sondern kann das durchaus auch dann noch in die Nacht verlegen, etwa um 1:00 Uhr.
Dirk Kaisers, Eaton
So werde der Spitzenbedarf abgefangen, das Zuschalten von Gas-Kraftwerken unnötig.
Ähnliches gilt auch für Wärmepumpen und sogar ganze Produktionsanlagen. Da sind allerdings die dahinterstehenden mathematischen Modelle komplizierter, die entsprechenden Softwareprodukte für die Energiesteuerung sind komplexer. Aber einige Pilotprojekte haben hier sehr gute Ergebnisse erbracht.

Pilotprojekte zeigen, wie es geht

Bosch setzt an mehr als 100 Standorten ein intelligentes datenbasiertes Energiemanagement ein und hat allein am Standort Homburg dadurch 4.500 Tonnen Kohlendioxid allein im Jahre 2018 eingespart.
Christian Rudelt, Bundesverband der Deutschen Industrie
Damit alle Verbraucher, also Haushalte und die Industrie, durchgängig ein solches flexibles und intelligentes datenbasiertes Energiemanagement betreiben können, muss das Stromnetz flächendeckend digitalisiert werden.
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Die alten Lastverteilungsrechner müssen durch moderne Smart Stations ersetzt werden. Die Verteilnetze müssen mit entsprechender Sensorik und Messtechnik massiv aufgerüstet werden. Doch das passiert bisher nicht.
"Die Innovationskraft der Elektrizitätsversorgung sehe ich da als zu gering an", benennt Infrastruktur-Experte Dirk Kaisers die wesentliche Ursache. Seine Forderung für 2023: "Da muss der Gesetzgeber ran."

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