: Gas-Abkommen: Kritik aus vielen Lagern

29.11.2022 | 20:07 Uhr
Deutschland bezieht ab 2026 jährlich zwei Millionen Tonnen Gas aus Katar. Das regelt ein neues Abkommen. Kanzler und Vize sind zufrieden - doch es hagelt Kritik. Ein Überblick.
Deutschland braucht Gas, um die ausbleibenden Lieferungen aus Russland zu ersetzen. Katar will einspringen - das ist nicht unumstritten.Quelle: Imad Creidi/Reuters
Zwei Millionen Tonnen Flüssiggas will Katars Energieriese Qatar Energy ab dem Jahr 2026 jährlich an Deutschland liefern. Das Abkommen, das Gaslieferungen von dem Emirat an die Bundesrepublik besiegelt, wurde am Dienstag in Doha unterschrieben.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigt sich zufrieden über den angedachten Zeitrahmen: "15 Jahre ist super", so Habeck. Es hätte auch längere Verträge geben können, wegen der geplanten Klimaneutralität in Deutschland ab 2045 müssten dann die Mengen hinten raus aber immer geringer werden. Spätestens ab 2040 müsste der Gasverbrauch runtergehen. Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßt das Abkommen:
Ich bin froh über die Vereinbarung mit Katar.
Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler
Man werde "Stück für Stück" neue Lieferverträge mit Ländern schließen, sagte Scholz auf die Frage, ob das Volumen der Lieferungen nicht sehr klein sei. Die Regierung werde dafür sorgen, dass man mit Blick auf die Versorgungssicherheit viele Verträge mit vielen Ländern bekomme. Der Abschluss mit Katar sei ein weiterer Baustein sagte Scholz, der auch die lange Laufzeit des Vertrages lobte.

Gaswirtschaft sieht "positives Signal"

Die Gaswirtschaft sieht in dem Abkommen ein "positives Signal für die landbasierten LNG-Terminals". Mit den langfristigen Lieferungen über 15 Jahre werde eine gute Perspektive für diese Terminals eröffnet, sagte der Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas, Timm Kehler, laut einer Mitteilung. Insbesondere für einen späteren Umstieg auf grüne Gase seien die landbasierten Terminals von elementarer Bedeutung.
Wir fordern schon lange, nicht nur auf die kurzfristige Versorgung über die schwimmenden Terminals zu blicken.
Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas
Laut Zukunft Gas entspricht die zwischen Katar und Conoco Phillips vereinbarte Menge rund 30 Terawattstunden und damit etwa drei Prozent des deutschen Jahresbedarfs. "Wir müssen aber knapp 500 Terawattstunden ersetzen, die bislang über russische Gaslieferungen gedeckt wurden", sagte Kehler. "Das bedeutet, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, um die Versorgung langfristig zu sichern."

Umwelthilfe und Linke mit deutlicher Kritik am Gas-Deal

An dem Abkommen über die Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) aus Katar wird in Deutschland auch Kritik laut. Die Deutsche Umwelthilfe hält den Vertrag in doppelter Hinsicht für falsch: Das Lieferabkommen weise in die falsche Richtung und sei vor allem ein Risiko für die Klimaziele. Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner bemängelt:
Der Gas-Deal mit einer LNG-Lieferung ab 2026 hilft nicht in der gegenwärtigen Krise, schafft mit seiner Laufzeit über 15 Jahre aber eine neue langfristige Abhängigkeit.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe
Genauso argumentierte der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Lorenz Gösta Beutin: "Die Gaslieferungen ab 2026 sind wirkungslos für die aktuelle Energiekrise, schaffen aber langfristige Energieabhängigkeit bis 2041 mit einem Land, das Menschenrechte mit Füßen tritt und am blutigen Krieg gegen den Jemen beteiligt ist."
Scharfe Kritik auch von Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Neubauer kritisierte in der "Rheinischen Post" die langfristige Abhängigkeit von dem autokratisch regierten Land und sagte, der Deal werde "eine schnelle Energiewende planmäßig verstellen", wenn bis 2041 Flüssiggas geliefert werde. Neubauers zynische Reaktion auf Twitter:
Tweet von Umwelt-Aktivistin Luisa Nebauer

Ist LNG eine Alternative zum russischem Erdgas? Das Grafikvideo zeigt, woher unser Erdgas eigentlich kommt. Es erklärt, was LNG ist und zeichnet den Weg von der Förderung bis zur Einspeisung.

14.03.2022 | 03:17 min

Union: Zu spät, zu wenig Gas

Kritik auch von der Union - jedoch aus anderen Gründen. CDU-Chef Friedrich Merz bemängelt am Dienstag von der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Das ist erstens sehr spät, löst keines der aktuellen Probleme und zweitens von der Menge so gering, dass es im Grund genommen gar nicht weiter auffällt.
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender
Die vereinbarte Menge von jährlich zwei Millionen Tonnen sei so gering, "da hätte die Reise eines Abteilungsleiters gereicht". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verwies darauf, dass es seltsam sei, dass nun ein amerikanisches Unternehmen den Deal abwickele. Möglicherweise habe die Bundesregierung mit dem Abschluss überhaupt nichts zu tun.

Kritik auch von Ampel-Partnern

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich begrüßte die Vereinbarung, äußerte aber indirekt Kritik an den Grünen. Die SPD habe immer gesagt, dass man Gas als Übergangstechnologie brauche - "scheinbar lernen andere davon". Die Grünen hatten neue Gasimporte kritisch gesehen. Alle hätten zudem von Anfang an gewusst, dass ein Land wie Katar ebenso wie Aserbaidschan keine weiße Weste bei Menschenrechten hätten.
Aus Sicht der FDP macht das Abkommen deutlich, "wie abhängig wir uns von Staaten machen, die unsere Werte nicht teilen". Deshalb sei es wichtig, die Energiesouveränität zu stärken, indem Deutschland eigene Gasförderung betreibe, so der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse bei "t-online".
Quelle: dpa, Reuters, AFP

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