: Könnte der Gaza-Krieg Biden die Wahl kosten?

von Anna Kleiser, Washington, D.C.
27.02.2024 | 17:02 Uhr
Viele Menschen in Michigan kritisieren Biden. Sie fordern eine sofortige Waffenruhe und wollen die Vorwahl als Warnung nutzen: Ohne neue Israel-Politik werden sie ihn nicht wählen.
Viele Menschen in Michigan sind wütend auf Biden. Sie fordern eine sofortige Waffenruhe und wollen die Vorwahl als Warnung nutzen: Ohne neue Israel-Politik werden sie ihn nicht wählen.Quelle: Reuters
Für Alaa Ali ist US-Präsident Joe Biden unwählbar geworden. Der Hausarzt lebt in Dearborn, Michigan, und die Israel-Politik Bidens macht ihn wütend. Er versuche, seine Emotionen zu kontrollieren, sagt Ali. Aber sein jüngster Bruder sei bei der Offensive in Gaza beim Versuch Wasser zu holen, getötet worden.
Und ich habe mit meinen Steuergeldern wohl sogar die Kugel mitfinanziert, die ihn getötet hat. Wie soll ich denn damit nachts noch schlafen?
Alaa Ali, Arzt in Dearborn

Kampagnen gegen Biden bei Vorwahl

Er ist nicht der einzige, dessen Trauer sich mit Frust und tiefer Enttäuschung mischen. Im Bundesstaat Michigan gibt es gleich mehrere Kampagnen, die dazu aufrufen, Biden bei der heutigen Vorwahl keine Stimme zu geben. Der Grund: die anhaltende Unterstützung der US-Regierung für Israel und die Blockade von Waffenruhen im UN-Sicherheitsrat.
Wir nutzen jetzt unser Wahlrecht und unsere Macht an der Urne als Protest, um zu sagen, dass wir einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand wollen.
Lexis Zeidan, Sprecherin "Listen to Michigan"
Über Monate seien die Forderungen nicht gehört worden, so Zeidan. Jetzt soll ihnen die Nachricht über tausende ungültige Stimmen Gehör verschaffen. Die Kampagnen rufen dazu auf, statt Biden "uncommitted" zu wählen, indem sie etwa "Free Gaza" auf dem Wahlzettel schreiben. 

US-Präsident Biden hat bei der ersten Vorwahl der Demokraten in South Carolina mit einer deutlichen Mehrheit gewonnen. Die Wahlbeteiligung war jedoch gering.

04.02.2024 | 01:39 min

Warum Michigan für die US-Wahl wichtig ist

Die Entwicklung der Protestbewegung in Michigan wird seit Monaten beobachtet. Denn der Bundesstaat ist ein entscheidender Swing State. Das heißt, dort können bei der Präsidentschaftswahl nur wenige Stimmen darüber entscheiden, ob die Wahlmänner an Demokraten oder Republikaner gehen.
2016 gewann Donald Trump den Staat hauchdünn mit etwas mehr als 10.000 Stimmen. "Der Weg ins Weiße Haus führt durch Michigan", sagt Sami Khalid, der Präsident des Democratic Club Dearborn.
Die arabische Community mit ihren 300.000 Wählern hat also absolut das Potenzial, die Wahl zu entscheiden.
Sami Khalid, Präsident Democratic Club Dearborn
Deshalb stehen diese Vorwahlen seit Wochen im Fokus. Obwohl Joe Biden als Amtsinhaber bei den Vorwahlen keinen ernstzunehmenden Konkurrenten hat. Für die Wahl im November sind die Karten jedoch neu gemischt.
ZDFheute Infografik
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Israel-Thema im Wahlkampf immer drängender

Der demokratische Bürgermeister der Vorstadt Dearourn, Abdullah H. Hammoud, spricht von Verrat an der arabischen Wählerschaft. Am Sonntag trat er bei einer Protestveranstaltung auf die Bühne, deutete auf die Kameras im Raum und sagte: "Die Welt schaut uns zu, wir sind unter dem Mikroskop." Dabei müssten alle verstehen:
Es ist kein arabisches Problem für Joe Biden. Es ist kein muslimisches Problem, er hat es vielmehr mit einer humanitären Krise zu tun.
Abdullah H. Hammoud, Bürgermeister Dearborn
Auch die Proteste begrenzen sich nicht auf Michigan. Bei zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen wurden Joe Biden und Kamala Harris von Aktionen für eine Waffenruhe gestört. Am Sonntag hat sich in der amerikanischen Hauptstadt Washington ein aktiver Soldat der US-Luftwaffe aus Protest vor der israelischen Botschaft angezündet. Er erlag später seinen Verletzungen.

Die Gespräche verliefen "gut", heißt es von US-Seite: In den Verhandlungen um die Freilassung von Geiseln und eine Feuerpause im Gazastreifen sehen Unterhändler positive Signale.

23.02.2024 | 00:22 min

Waffenstillstand reicht vielen nicht mehr

Gestern Abend verkündete Biden bei einem Stopp in New York, dass er auf eine Waffenruhe bis Montag hoffe. Sein Sicherheitsberater habe ihm gesagt, sie seien "nahe dran". Selbst wenn es so käme, für Aktivisten wie Khalid Turaaniwürde es nichts ändern:
Uns jetzt erzählen, dass palästinensische Leben wertvoll sind, nur weil er unsere Stimme braucht? Das ist doch einfach nur beleidigend.
Khalid Turaani, Aktivist "Abandon Biden"-Bewegung
Es fühle sich so an, als habe die US-Regierung die Verbindung zu ihnen verloren, sagt Kahlid Turaani weiter. Auch Bürgermeister Hammoud sieht in einer Waffenruhe nur den ersten Schritt.
Wir brauchen einen eigenen palästinensischen Staat für das palästinensische Volk, und zwar ein für alle Mal.
Abdullah H. Hammoud, Bürgermeister Dearborn
Die Menschen seien wichtiger als die Partei, wichtiger als der Präsident, so Hammoud.

Präsident Joe Biden eröffnet in South Carolina die Vorwahlen der Demokraten. Dort setzt er bei der Wählerklientel vor allem auf die Schwarzen.

31.01.2024 | 06:24 min

Was das für die Wahl im November heißt

Auch Sami Khalid geht davon aus, dass eine Mehrheit zu Biden zurückfindet - wenn sich bis dahin grundlegend etwas im Nahen Osten ändert. Leicht wird es auf keinen Fall. Bei der Protestveranstaltung am Sonntag wird noch etwas anderes deutlich.
Vor allem viele junge Menschen sind verärgert über die zwei Optionen, die sie für November vor sich sehen. Sie wollen nicht das kleinere Übel wählen müssen. Dass Biden den Kampf um die Demokratie zum Thema macht, Israel aber nicht kritisiert, stößt ihnen auf.
Die Wut in Michigan brodelt und die Enttäuschungen sitzen tief. Sollte es Biden nicht gelingen, die Wählerschaft bis November zu überzeugen, könnte es ihn tatsächlich die Wahl kosten.

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