Interview

: Fake Bots: "Russland hat einfach mehr"

06.06.2024 | 20:53 Uhr
Einem Bericht zufolge wollte Israel mit Fake Accounts im Netz die Stimmung in den USA beeinflussen. Was dahinter steckt - und was die Unterschiede zu Kreml-Kampagnen sind.
Social-Media-Kampagnen mit Fake Accounts betreibt nicht nur Russland - sondern auch westliche Staaten.Quelle: Imago
Israel soll gezielt eine Social-Media-Kampagne in Auftrag gegeben haben, um demokratische Parlamentarier und die Öffentlichkeit in den USA für die eigene Position im Gaza-Krieg zu gewinnen. Das berichtet die "New York Times" und beruft sich dabei auf offizielle Stimmen und Dokumente.
Demzufolge sollen mehrere Fake-Accounts in den sozialen Medien pro-israelische Kommentare gepostet haben. Die Kampagne soll laut Bericht im Oktober 2023 begonnen haben, nach dem Massaker der Hamas in Israel. Dabei starben mehr als 1.200 Menschen, mehr als 240 wurden entführt.
Im Zentrum der Vorwürfe steht das Unternehmen Stoic aus Tel Aviv, das vom israelischen Ministerium für Diaspora-Angelegenheiten mit der Kampagne beauftragt worden sein soll.

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ZDFheute: Frau Munoz, erstaunt Sie der Bericht der "New York Times"?
Katja Muñoz: Ja und Nein. Ja, weil es sich bei den USA um den größten und stärksten Verbündeten Israels handelt, der da im Visier war. Sowas würde man eigentlich nicht erwarten. Andererseits ist Israel bekannt dafür, dass es sehr pragmatisch agieren kann, wenn es um die eigene Sicherheit geht. Dass Israel an Einflussoperationen arbeitet und da sehr gut drin ist, ist eigentlich bekannt.

Dr. Katja Muñoz ...

Quelle: DGAP
... ist Research Fellow am Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Sie erforscht das Zusammenspiel zwischen sozialen Medien und Politik.

ZDFheute: Warum sollte Israel solche Kampagnen in Staaten wie den befreundeten USA in Auftrag geben?
Muñoz: Israel zielte mit der Kampagne vor allem auf eine junge, schwarze, demokratische Wählergruppe, die viel Wert auf die Lage der Zivilbevölkerung in Gaza legt. Es nicht verwunderlich, dass Israel sie gezielt beeinflussen wollte, mit Blick auf den Krieg in Gaza - angesichts des eigenen militärischen Handelns. Die demokratische Partei hadert ja aktuell auch damit, dass viele ihrer Wähler für einen Strategiewechsel der USA mit Blick auf Israel sind.

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ZDFheute: Die Zeitung berichtete 2022 auch über eine ähnliche Kampagne des US-Verteidigungsministeriums, die das Ziel hatte, die Bevölkerung im Ausland mit pro-amerikanischen Botschaften in den sozialen Medien zu beeinflussen. Sind solche Aktionen von Seiten der USA ungewöhnlich?
Muñoz: In dem Rahmen schon, dass es auf Social Media passiert ist. Denn damals - von 2017 bis 2022 - haben die USA parallel auch die normalen, nicht verdeckten Einflussoperationen laufen lassen, und Zugang zu anderen Medien, wie Radio Free Europe etwa in Osteuropa ermöglicht. Das gibt es schon immer. Darüber hinaus wurde anscheinend auch versucht, das Ganze verdeckt durchzuführen. Aber mit sehr mäßigem Erfolg. Es ist nicht so gewesen, dass die Social-Media-Kampagne viel effizienter war.
Und ich nehme auch an, dass diese Aktion konkret aus dem Grund nicht weitergeführt worden ist. Vor allen Dingen ist es aber auch eine Strategiefrage, weil verdeckte Einflussoperationen normalerweise keine Taktiken sind, die Demokratie fördern sollten. Das ist eigentlich etwas, das autoritäre Staaten machen. Diejenigen, die uns unterwandern wollen, die unsere Glaubenssätze, unsere Demokratien, unsere Rechte, unsere Freiheiten schwächen wollen.
Und wenn andere Strategien genauso effizient oder leicht besser sind, dann sollten wir eigentlich mit diesen Werkzeugen arbeiten, die transparent sind.
Katja Muñoz

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ZDFheute: Warum hat die USA trotzdem auf eine verdeckte Einflussoperation gesetzt?
Muñoz: Man hat gesehen, dass Social Media immer mehr Einfluss haben kann auf die Meinung von verschiedenen Leuten. Das sind Entscheidungen, die getroffen worden sind, wahrscheinlich um zu testen, ob das effektiv ist oder nicht auch im Vergleich zu den offenen Einflussoperationen durch Accounts wie die US Army und so weiter. Und es ist de facto nicht effektiver gewesen.
Ich weiß nicht, ob die verdeckten Operationen noch weitergeführt werden. Es kann sein, dass das so gut mittlerweile ist, dass man es nicht mehr erkennt. Generell weiß ich aber, dass die Diskussion sehr groß war: Wir leben in einem demokratischen Staat, wir wollen uns eigentlich unterscheiden von Autokratien. Und da sollten wir nicht auf ihre Methoden, Strategien und Taktiken zurückgreifen. Denn es schwächt das Vertrauen der Menschen, und wenn das rauskommt, dann ist es wesentlich schwerer wieder Vertrauen aufzubauen.
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ZDFheute: Bei solchen Aktionen denken wir ja eher an Russland als Absender. Worin unterscheiden sich westliche Operationen von solchen aus Russland?
Muñoz: Der Unterschied liegt in der Quantität. Bei bekannten russischen Desinformationskampagnen sind einfach viel mehr Accounts involviert. Sie haben viel größeren Einfluss in den sozialen Medien.

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Aber die Methodik ist die Gleiche: Man benutzt Bots, man benutzt inauthentische Accounts, wo Leute in Trollfabriken tatsächlich dasitzen und acht Stunden lang am Tag klicken oder bestimmte Nachrichten immer wieder posten. Aber Russland hat halt einfach mehr.
Dort hat regelrecht eine Industrialisierung von Trollfabriken stattgefunden, vor allem nachdem Evgeni Prigoschin, der vorher das Trollfabrik-Monopol innehatte, ausgeschaltet wurde.
Katja Muñoz
Nicht, dass Israel nicht mehr machen könnte, aber ich glaube, das Ziel war einfach nicht so groß.
Das Interview führte Katja Belousova.

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